BLOG: 27.07.2022

Die Bewerbung der Zukunft

Ausbildung

Die mobile, schnelle und digitale Bewerbung ist auf dem Vormarsch. One-Click- oder One-Swipe-Bewerbungen bedeuten für Personaler einen erheblichen Mehraufwand, zeigen aber, dass sich das Unternehmen in Punkto digitaler Skills auf Augenhöhe mit jungen Bewerbern befindet.

Die Generation Z drängt auf den Arbeitsmarkt und damit die erste Generation, die mit digitalen Tools ganz selbstverständlich umgeht. Für Unternehmen bedeutet das eine entscheidende Veränderung. Denn ihr guter Ruf war noch nie so sehr in Gefahr wie in den Zeiten von WhatsApp, Facebook und Co. Kandidaten, die bei einem Videocall oder einem Bewerbungsgespräch schlechte Erfahrungen gemacht haben, tragen dies ganz selbstverständlich in die Welt der sozialen Medien hinaus.

 

Guten Eindruck hinterlassen

Heute gibt es Bewertungsportale für Unternehmen, in denen Bewerber ihre Erfahrungen vermerken. Selbst bei erwiesenermaßen falschen Aussagen haben es Unternehmer schwer, diese tilgen zu lassen. In Zukunft wird es also noch nötiger sein, als Unternehmen einen rundweg guten Eindruck zu hinterlassen. Denn die jungen Talente wissen eines ganz genau: sie sind wenige. Sie können daher höhere Einstiegsgehälter verlangen als etwa einst die Bewerber der Boomer-Generation, die einem harten Konkurrenzkampf untereinander ausgesetzt waren.

 

Die Grenzen des Smartphones

Digitale Tools haben die Recruiting-Welt längst erobert. Das wichtigste Gerät zum Bewerben ist das Mobiltelefon. Schnell, einfach und unkompliziert soll es sein. Allerdings bevorzugen viele Firmen E-Mail oder Formularbewerbungen und bei denen stoßen Smartphones an ihre Grenzen, etwa bei großen Dateianhängen.

 

E-Mail-Bewerbungen holen auf

Die Verteilung der unterschiedlichen Kanäle im Bewerbungseingang der Unternehmen hat sich laut einer Studie der Universität Bamberg in den letzten Jahren zugunsten der Formularbewerbung entwickelt. Aber bereits 2016 lag die E-Mail-Bewerbung auf demselben Niveau wie die Formularbewerbung: 41,4 Prozent der Bewerbungen entfielen auf Online-Bewerbungsformulare und 41,0 Prozent auf E-Mails.

 

Papier ist unbeliebt

Allerdings zeigt die Zukunftsprognose für die Entwicklung des tatsächlichen Bewerbungseingangs immer noch einen Anstieg der Formularbewerbungen. Die papierbasierte Bewerbung liegt bei 17,0 Prozent. Somit ist aktuell fast jede fünfte eingehende Bewerbung bei den Top-1.000-Unternehmen papierbasiert.

 

Ohne Lebenslauf geht nichts

Langatmige Bewerbungsschreiben mag niemand mehr schreiben. Einer Erhebung der Universität Bamberg zufolge würden über 30 Prozent der Kandidaten gerne darauf verzichten. 60 Prozent der Unternehmen finden laut der Studie ein Anschreiben wichtig und halten es für ein Auswahlkriterium. Unverzichtbar dagegen bleibt der Lebenslauf - 98 Prozent der befragten Unternehmen bestehen darauf. Auch in der digitalen Welt will man eben wissen, wer da vor einem sitzt, sei es persönlich oder in einem Videocall.

 

Push die Employer Brand

Einer Erhebung der Universität Bonn zufolge haben sich 13 Prozent der Kandidaten schon einmal mobil beworben. Die Tendenz ist hier stark steigend, denn mit One-Click- oder One-Swipe-Bewerbungen zeigen Unternehmen, dass sie sich in Punkto digitaler Skills auf Augenhöhe mit ihren jungen Bewerbern befinden. Arbeitgeber, die solche Bewerbungen akzeptieren, pushen ohne große Sprüche ihre Employer Brand. Allemal besser, als mit ankumpelndem Pseudo-Jugend-Slang in teuren Anzeigen um Kandidaten zu buhlen. So schafft man Nähe, ohne peinlich zu wirken.

 

Ihre Daten, bitte

Eine interessante Entwicklung ist die Bewerbung via Chatbot. Dabei wird der Bewerber beim Klick auf den Bewerben-Button in einer Stellenanzeige zu einem Chat-Fenster weitergeleitet. Gesprächspartner ist kein Personaler, sondern ein Roboter. Der dient allerdings weniger dem Bewerber als seinem Auftraggeber. Denn die Hauptaufgabe des Chatbots ist es, möglichst viele Standarddaten abzufragen, die er für den Personaler ordentlich aufbereiten kann.

 

Tinder für Jobs

Die One-Swipe-Bewerbung via App greift das Prinzip auf, dass viele junge Bewerber von der Rating-App Tinder her kennen. Allerdings wird hier per Fingertipp nicht der Traumpartner, sondern der passende Jobs gesucht. Der Bewerber muss ein Bewerbungsprofil aus einem Portal wie LinkedIn oder Xing hinterlegen, dass nach einem Wischer nach rechts an den Wunscharbeitgeber versandt wird. Vorsicht ist allerdings bei einem Wischer nach links geboten. Denn dann landet das Unternehmen nach dem Aschenputtel-Prinzip im Nirgendwo.

 

Spielerisch zum Job

Der Gamification-Trend hat Einzug in die Arbeitswelt gehalten. So soll die App „Talentcube“ der Gründer Hendrik Seiler, Sebastian Niewöhner und Sebastian Hust eine komplette Bewerbung über die App möglich machen. Dies macht Sinn, weil schon heute 76 Prozent der deutschen Bevölkerung auf dem Handy nach Stellenangeboten sucht. Die Unternehmen können bis zu drei Fragen im Bewerbungsprozess hinterlegen, die dann von den Bewerbern spontan und in einem Video beantwortet werden müssen. Damit erhalten die Firmen direkt einen persönlichen Eindruck des Bewerbers und können entscheiden, wenn sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden wollen. Als der Bundesnachrichtendienst kürzlich neue Mitarbeiter im Bereich IT-Forensik und Cyber-Sicherheit suchte, mussten die Kandidaten vorab ein vom BND gestelltes Rätsel lösen: „Sherlock Holmes im Cyberspace“ hieß die Forensik-Challenge.

 

Schnellere Entscheidungsprozesse

Ganz oben in der Gunst der Bewerber steht der Bamberger Studie zufolge übrigens die Bewerbung per Kurzprofil. Fast 80 Prozent der Talente wollen sich einfach mit den Daten aus einem Business-Netzwerk bewerben. Dass die digitalen Bewerbungswege immer wichtiger und kürzer werden, wissen die meisten Recruter längst. Die Folge sind schnellere Entscheidungsprozesse. Und davon haben nicht nur die Bewerber, sondern auch der Arbeitgeber etwas.

 

Lohnende Trüffelsuche

Einige Recruiter stöhnen über die One-Click-Bewerbung, denn sie spült ihnen einen Schub an unqualifizierten Bewerbungen ins Haus und verursacht damit Mehrarbeit. Die kann sich aber lohnen, denn in der Sekunde, in der ein Top-Kandidat seine Bewerbung stoppt, weil das Unternehmen keine Option einer One-Click-Bewerbung anbietet, ist dieser Bewerber für das Unternehmen verloren. Bei vielen Personaler hat sich deshalb die Einsicht durchgesetzt, dass sich der Mehraufwand durch One-Click-Bewerbungen lohnt, weil es eine lohnende Trüffelsuche ist.

 

Flache Hierarchien

Der ganze Aufwand nützt allerdings wenig, wenn im Bewerbungsprozess geweckte Erwartungen bei den Kandidaten nach dem erfolgreichen Abschluss des Prozesses enttäuscht werden. In den Stellenanzeigen stellen Unternehmen gerne die „flachen Hierarchien“ ins Schaufenster. Kenner horchen bei „flach“ inzwischen auf und fühlen sich an das Prinzip des Greenwashing erinnert.

 

Lautsprecherische New Work Parolen

Also dergestalt, dass sich Unternehmen, die sich nach außen hin als besonders öko und grün darstellen, es in Wahrheit gar nicht sind.  Ein Begriff für ein Unternehmen, das mit lautsprecherischen New Work Parolen um Talente buhlt und am Ende doch nur wieder die herkömmlichen Hierarchien und lähmende Abstimmungsprozesse zu bieten hat, muss noch erfunden werden.

 

Der größte Fehler

Einige der größten „Big Failures“ begehen Unternehmen aus Sicht der Kandidaten allerdings schon während des Bewerbungsprozesses: Sie geben keine oder eine fehlerhafte Rückmeldung. Es macht also Sinn, sich im Vorfeld einer Kampagne mit den Informationsbedürfnissen der Kandidaten vertraut zu machen.