BLOG: 04.04.2021
Digitaler Paradigmenwechsel
Home OfficeNach Covid 19 wieder einfach zur Tagesordnung überzugehen, scheint für eine wachsende Zahl von Unternehmen undenkbar zu sein. Eine Orientierung für die Zeit danach bieten Geschäftsmodelle von Unternehmen, die jetzt in der Krise erfolgreich sind. Dennoch wäre es zu einfach, von einer allumfassenden Krise zu sprechen, denn die Pandemie hat zu einem Paradigmenwechsel geführt. Covid-19 treibt ganze Industrien dazu an, die digitale Transformation ihrer Kernaktivitäten zu beschleunigen oder spätestens jetzt zu starten.
Bestandsaufnahme in deutschen Unternehmen
Den derzeitigen Teil-Lockdown nutzen viele Führungskräfte in Großkonzernen und mittelständischen Unternehmen zu einer strategischen Bestandsaufnahme. Neben der Frage, wie das eigene Unternehmen durch die Krise zu steuern ist, richtet sich der Blick zunehmend auf die Perspektiven der nächsten Jahre.
Die Einsicht, dass die Pandemie Wirtschaft und Gesellschaft trotz des voraussichtlich im ersten Quartal 2021 zur Verfügung stehenden Impfstoffes Covid-19 noch länger belasten wird, setzt sich durch. Es scheint schlichtweg unmöglich, nach einem so einschneidenden Ereignis wieder zur Tagesordnung überzugehen. Zumal die Schläge, die das Virus der Wirtschaft zugefügt hat, statistisch gesehen erst in den kommenden Jahren absehbar werden.
Eine entmaterialisierte Welt
Ein Digitalisierungsschub ist bereits in vielen Unternehmen erkennbar, und wenn es nach den Strategen der Schweizer Bank UBS geht, sind wir sogar auf dem Weg zu einer regelrecht entmaterialisierten Welt. Das Materielle blendet sich aus, dass Intellektuelle setzt sich durch. Profiteure sieht die UBS in den Bereichen künstliche Intelligenz, Augmented Reality, Gesundheitstechnologie, Cloud-Technologien und bei der Automatisierung.
Outcome-Economy
Schon jetzt setzen viele Unternehmen auf eine „Outcome“-Economy mit neuen Services und Beratungsleistungen, die auf bereits vorhandene hochwertige Produkte aufsetzen. Ein Beispiel: ein Reifenhersteller bietet keine Reifen mehr an, sondern eine Mobilitätsgarantie. Zu der nun mal gefüllte Reifen gehören, die Dank sich stetig verbessernder Sensorik aus der Ferne kontrolliert werden können. Ähnliche – durch Fortschritt in der Sensorik – getriebene Services sind im Bereich Büro oder Smart Home vorstellbar.
Wir zoomen
„Aus der Ferne“ ist ein Stichwort, das in der Pandemie zum Paradigma geworden ist. „Wir zoomen“ heißt es heute in vielen Firmen, und damit ist dem US-Videokonferenz-Dienst etwas gelungen, was der Traum jeder Marketingabteilung ist. Der Name des Unternehmen ist zum Synonym für einen Service geworden, den weltweit Millionen Menschen nutzen. Obwohl die gestiegene Nutzung für Zoom auch höhere Kosten für die Infrastruktur bedeutet, wächst das Kerngeschäft mit Unternehmenskunden stark. Marktbeobachter rechnen 2020 mit einem Jahresumsatz von 1,8 Milliarden Dollar.
Geschäfte mit Unternehmen
Was einer Verdreifachung gegenüber 2019 entspricht. Klar, dass Zoom auf dem lukrativen Markt der Videokonferenzen nicht allein ist. Große Player, wie Microsoft und Google mischen ebenso mit, wie der norwegische Anbieter Pexip. Beim Geschäft mit Unternehmenskunden sind besondere Eigenarten zu beachten. Hier kommt es vor allem auf IT-Belange wie Dateneigentum, Integration und bestehende Workloads der Legacy-Infrastruktur an.
Lösungen für Cybersicherheit
Großer Gewinner in Lockdown-Situationen sind Anbieter von „Work from Home“-Software (WFH) wie Teamviewer oder Hersteller von Kollaborations-Tools wie Slack oder Atlassian. Fernzugriff auf die Unternehmens-IT und die Möglichkeit, Dateien und Hardware aus der Ferne warten oder steuern zu können, sind begehrte Optionen. Wenig erstaunlich, dass WFH-Software Anbieter ihre Umsätze gegenüber Anbietern von Standardsoftware überproportional steigern konnten.
Unter den Gewinnern finden sich auch Unternehmen, die Lösungen für Cybersicherheit bieten, wie etwas das US-Unternehmen Cloudflare. Die KI-basierte Überwachung von Mitarbeiter-Endgeräten, wie Laptop und Handy innerhalb von Computernetzwerken, ist heute wichtiger denn je.
Nachhaltig oder gar nicht
Die UBS-Studie bestätigt den Trend, dass die Pandemie die Bedeutung der Nachhaltigkeit stark erhöht hat. Das hat eine deutliche wirtschaftliche Komponente. Unternehmen stehen mehr denn je in der Pflicht, nicht nur ihre eigenen, sondern die Interessen aller anderen Gruppen zu berücksichtigen. Zu diesen zählen neben Mitarbeitern auch Kunden und Lieferanten. Das von der Bundesregierung anvisierte Lieferkettengesetz rückt ebenfalls Nachhaltigkeitskriterien weiter in den Fokus.
Paradigmenwechsel: Das Lieferkettengesetz
Aus dem geplanten Lieferketten- oder Sorgfaltspflichtengesetz folgen für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern neue Compliance-Pflichten im Bereich der ESG- Kriterien („Environmental, Social and Governance“). Wenn es zu so einem Paradigmenwechsel wie dem Lieferkettengesetz kommt, werden bestimmte ESG-Anforderungen und Compliance-Maßnahmen verbindlich. Weiters drohen bei Nichtbefolgung auch Bußgelder.
Vorgeschriebene Sorgfaltspflichten bei der Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards sind kostenintensiv, denn sie umfassen neben einer Risikoanalyse auch Präventionsmaßnahmen und Dokumentationspflichten. Da die Nicht-Einhaltung von ESG-Kriterien heute aber die Reputation eines Unternehmens direkt beeinträchtigen kann, gibt es zum nachhaltigen Wirtschaften heute keine Alternative mehr. Covid-19 ist eine gute Gelegenheit, dies zu überdenken.
Weltgrößter Freihandelspakt
Nachhaltigkeit und Wachstum sind keine Gegensätze. Auch wenn sich die Globalisierung durch die Pandemie deutlich verlangsamt hat und der Handelskrieg zwischen den USA und China die Ströme von Waren, Dienstleistungen, Investitionen und Arbeitskräften empfindlich stört, gibt die jüngste Vereinbarung des weltgrößten Freihandelspaktes nach achtjährigen Verhandlungen doch Anlass zur Hoffnung. Ein Push steht auch für europäische Unternehmen an, wenn sie es richtig anpacken.