BLOG: 17.03.2025

„In Italien ist es Tradition, dass sich die Familie um einen Tisch versammelt“

Das Büro der Zukunft

Gemeinsam arbeiten, essen und kommunizieren – warum der „Homify“-Trend Einzug in deutsche Büros hält, weiß GRAEF-Innenarchitekt Enrico Guerzi.

 

GRAEF: Erzähl uns doch zunächst bitte ein wenig über Deine Arbeit.

Ich arbeite seit dreieinhalb Jahren als Architekt bei GRAEF. In dieser Zeit habe ich an einer Vielzahl von Projekten gearbeitet – von kleineren bis hin zu sehr großen, kreativen Konzepten. Eines dieser Projekte war unser Beitrag für Warner Music. 

 

Heute beschäftigen wir uns mit dem Trend „Homify. Wie ist der entstanden?

Der Begriff ist vergleichsweise neu, wurde aber in den letzten Jahren in der Bürowelt immer präsenter. Wir haben ihn erstmals auf der Orgatec im November bewusst wahrgenommen. Die Corona-Pandemie hat hier eine entscheidende Rolle gespielt, denn durch die vermehrte Arbeit im Homeoffice haben viele Menschen erkannt, dass sie zu Hause sehr produktiv sein können. Jetzt sehen wir die Rückkehr ins Büro, die viele Unternehmen vermehrt einfordern. Das Büro sollte aber nicht so bleiben, wie es war, sondern gemütlicher werden – eine Mischung aus Funktionalität und Wohnlichkeit also. Homify steht für diese Verbindung, eine Arbeitsumgebung, die Komfort und eine angenehme Atmosphäre bietet.

 

Welche Faktoren spielen bei Homify eine besondere Rolle?

Licht, Materialien, Farben, Stoffe, Pflanzen – all diese Elemente beeinflussen das Raumgefühl. Ein entscheidender Punkt ist dabei die Balance zwischen Flexibilität und Beständigkeit. Zuhause wissen wir genau, wo welche Möbel stehen, was für ein Gefühl von Stabilität sorgt. In modernen Bürogestaltungen wird oft alles möglichst flexibel gehalten, doch ich denke, dass einige feste Strukturen für das Wohlbefinden wichtig sind.

 

Welche Rolle spielt Technologie in einem Homify-Büro?

Technologie und Gemütlichkeit müssen in Balance gebracht werden. Smarte Buchungssysteme, höhenverstellbare Schreibtische oder Akustiklösungen mit integrierter Lichttechnik sind Beispiele dafür, wie moderne Technik das Arbeitsumfeld verbessern kann, ohne es steril wirken zu lassen. Wir setzen zudem auf intuitive Bedienbarkeit und natürliche Materialien, um ein harmonisches Gesamtbild zu schaffen.

 

Wie sieht es mit der Personalisierung von Arbeitsplätzen aus?

Vor der Pandemie hatten viele Mitarbeiter einen festen Arbeitsplatz, den sie individuell gestalten konnten. Heute sind viele Büros flexibler, so dass die persönliche Gestaltung schwieriger wird. Dennoch gibt es Möglichkeiten, etwa durch modulare Elemente oder persönliche Boxen, die Mitarbeiter mit ihren eigenen Utensilien bestücken können.

 

Wie wird Nachhaltigkeit in Homify-Konzepte integriert?

Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle. Wir setzen auf recycelte Materialien, energieeffiziente Beleuchtung und langlebige Möbel. Auch Kreislaufwirtschaft ist ein Thema: Produkte sollten wiederverwertbar sein, und wir ermutigen Unternehmen, langfristige Lösungen statt kurzfristiger Trends zu verfolgen.

 

Akustik ist in offenen Büros oft eine Herausforderung. Wie lässt sich hier eine angenehme Arbeitsatmosphäre schaffen?

Vorhänge, Akustikpaneele oder textile Wandverkleidungen sind Möglichkeiten, den Schall zu reduzieren, ohne dass der Raum an Offenheit verliert. Wir sehen auch vermehrt mobile Trennwände mit integrierter Begrünung oder Akustikelementen.

 

Gibt es Alternativen zur klassischen Schreibtisch-Stuhl-Anordnung?

Ja, viele! Eine Möglichkeit sind große Tafeln, an denen mehrere Personen zusammenarbeiten können. Diese bieten eine familiäre Atmosphäre und ermöglichen spontanen Austausch. In meiner Heimat Italien ist es Tradition, dass sich die Familie um einen langen Tisch versammelt, um gemeinsam zu essen und zu kommunizieren. Genau dieses Gefühl versuchen wir in modernen Arbeitsräumen zu integrieren. Diese Tische bieten nicht nur Platz für kreative Meetings, sondern fördern auch den sozialen Austausch und stärken das Teamgefühl. Smarte Features wie integrierte Ladestationen oder modulare Beleuchtungssysteme unterstützen die Funktionalität.

 

Welche Bedeutung hat Biophilic Design für Homify?

Eine sehr große. Pflanzen verbessern nicht nur die Luftqualität, sondern wirken sich auch positiv auf das Wohlbefinden aus. Wir haben in unserem Büro einen Raum, den wir „Green Garden“ nennen, um zu zeigen, wie Begrünung in Arbeitsumgebungen integriert werden kann. Manche Konzepte gehen sogar so weit, essbare Pflanzen in die Gestaltung mit einzubeziehen.

 

Die Beleuchtung ist ein entscheidender Faktor für die Atmosphäre. Welche Lösungen gibt es hier?

Neben der Normbeleuchtung setzen wir auf zonierte Lichtkonzepte. In Lounge-Bereichen oder Kantinen nutzen wir wärmere Lichtfarben, während Arbeitsplätze funktional beleuchtet sind. Dimmbare Lichtsysteme ermöglichen es, die Helligkeit je nach Tageszeit und Stimmung anzupassen.

 

Welche Unternehmen haben Homify bereits erfolgreich umgesetzt?

Ein Beispiel ist Warner Music. Dort haben wir unter anderem ein rundes Sofa mit samtigem Stoff entworfen, das für eine wohnliche Atmosphäre sorgt. Ergänzt wurde es durch eine Cocktailbar und eine kleine Bühne für interne Veranstaltungen. Zudem kamen Teppichböden zum Einsatz, die nicht nur die Akustik verbessern, sondern auch das Gefühl von Gemütlichkeit verstärken.

Warner Music

Wie sieht die Zukunft von Homify-Konzept aus, was ist noch vorstellbar?

Ich sehe eine Weiterentwicklung hin zu Open Spaces, die durch gezielte Raum-in-Raum-Systeme ergänzt werden. Wir können uns zum Beispiel Bibliotheksbereiche vorstellen, in denen sich Mitarbeiter zurückziehen und konzentriert arbeiten können. Die Idee ist, multifunktionale Räume zu schaffen, die sich flexibel an unterschiedliche Bedürfnisse anpassen lassen.

Vielen Dank für das spannende Gespräch!

Interview: Guido Walter

 

Enrico Guerzi ist Innenarchitekt mit fundiertem Wissen im Bauingenieurwesen und derzeit bei GRAEF mit Schwerpunkt auf Bürogebäuden tätig. Sein Ziel ist es, nachhaltige und zukunftsorientierte Arbeitswelten zu gestalten. Mit einer Leidenschaft für Design und Architektur begleitet Guerzi Projekte von der ersten Konzeptidee bis zur finalen Umsetzung. Besondere Stärken liegen in der kreativen und präzisen Gestaltung, mit ausgeprägten Fähigkeiten in 3D-Modellierung und fotorealistischen Renderings. Funktionalität und ästhetische Kraft stehen im Mittelpunkt der Entwürfe. Dabei verbindet Guerzi analytisches Denken mit einem Gespür für innovative Technologien. Durch das Interesse an Musik und Akustik erweitert er stetig sein Wissen über Raumakustik und moderne, schallabsorbierende Materialien.