BLOG: 30.09.2021

Flache Hierarchien - modernes Büro Design

Hierarchie & Design

Eine für Führungskräfte geeignete Arbeitswelt der Zukunft ist auch eine Herausforderung für Designer, die flache Hierarchien und das darauf abgestimmte Büro Design mit den Attributen 'cool' und 'lässig' kombinieren müssen. Das Eckbüro mit pompöser Aussicht passt nicht mehr in eine Zeit ohne Herrschaftswissen.

Das gab es schon vor „New Work“ und auch, wenn das Thema 'attraktives Büro Design' am Tisch des Chefs lag: Unternehmen stellen sich gern als modern, cool und aufgeschlossen für neue Trends dar, immerhin will man ja für die begehrten jungen Talente attraktiv sein. Nur der früher so beliebte „Querdenker“ ist aus den Stellenannoncen verschwunden, denn er hat sich in einem anderen Kontext unmöglich gemacht. Das Zeug zum Klassiker haben dagegen „flache Hierarchien“, die in Annoncen gern mit dem Vorsatz „wir bieten…“ angepriesen werden. Da soll man gleich denken, ich kann selbständig arbeiten und hab nicht ständig eine Nervensäge im Nacken, die mir andauernd sagt, was ich tun oder lassen soll.

 

Wenn der Chef rumkumpelt

Doch die Sache hat ihre Tücken, wenn Autoritäten plötzlich auf nett machen. Viele freuen sich zunächst, wenn der Chef plötzlich „Du“ sagt. Und erkennen das Problem erst, wenn er ständig beim Lunch dabei ist und rumkumpelt. Denn das kann nerven wie die Hölle, und die kleinen Oasen der Entspannung verwandeln sich in eine Fata Morgana. Niemand spricht mehr frei, keiner bittet mehr um Hilfe, stattdessen herrscht Angst, mit irgendeiner unbedachten Formulierung „oben“ anzuecken. Manche Kollegen servieren ihren Vorgesetzten zwischen Salat und Pasta als Zwischengang auch gern mal eine kleine Portion Schmeichelei.

 

Die Verheißung flacher Hierarchien

Dabei hatte sich die Chefetage das ganze mal so schön ausgedacht: flache Hierarchien, also eine Organisationsstruktur mit wenig unterschiedlichen Hierarchiestufen und somit auch wenigen weisungsbefugten Instanzen führen dazu, dass bei Entscheidungsprozessen die ganze Belegschaft eingebunden wird. Die Kommunikationswege sind kurz und direkt, da die mittlere Managementebene wegfällt oder zumindest stark reduziert ist. Die Kommunikation lockert sich auf, endlos lange Entscheidungswege werden kürzer. Mitarbeiter bekommen mehr Verantwortung, Führungskräfte sind weniger streng, Kommunikation findet auf Augenhöhe statt, selbst wenn etliche Rangstufen dazwischen liegen. Ein schöneres, effektiveres und produktiveres Arbeitsklima ist die Folge. Mitgestalten statt abnicken, das klingt verlockend.

 

Tiefer Staat im Unternehmen

Leider sind flache Hierarchien tückisch, weil sie oft nur auf dem Papier existieren. Und dann wird die Sache besonders unangenehm. Denn so manche Regentschaft setzt sich durch geheime Schattenstukturen im geheimen fort, ein tiefer Staat im Unternehmen sozusagen.  Der absolute Worst Case ist, dass flache Hierarchien ins Schaufenster gestellt werden, in der Firma aber im Grunde alles beim Alten bleibt. Mit dem Unterschied, dass eine nicht geregelte Aufgabenverteilung Chaos verursacht. Wie es in Georg Orwells „Animal Farm“ so schön heißt: Alle sind gleich, aber einige sind gleicher als die anderen. Ab einer gewissen Größenordnung sind Hierarchien ohnehin unabdingbar, und Untersuchungen zeigen, dass bei wachsender Mitarbeiterzahl der Wunsch nach Führung steigt. Es wird aber immer besonders qualifizierte Talente geben, für die der Wunsch nach flachen Hierarchien ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl des Arbeitgebers bleiben wird.

 

Der CEO im Großraumbüro

Aber muss das im Büro auch sichtbar sein? Bracken Darrell findet nein. Der Geschäftsführer des Computerausstatters 'Logitech Schreibtisch' hält nichts von Eckbüros mit ehrfruchtgebietender Aussicht. Er setzt sich lieber ins Großraumbüro. Ideen fließen besser ohne Wände - ein ähnliches Credo wird auch Facebook-CEO Mark Zuckerberg nachgesagt. Das Großraumbüro als kreative Denkfabrik war eine Idee des früheren Google-Managers Eric Schmidt, die zwar durch Corona einen Rückschlag erlitten hat, aber in der Post-Covid-Ära wiederaufleben könnte, trotz aller Scheu vor zuviel Nähe.

 

Du willst Ruhe? Dann setz die Kopfhörer auf

Eine aktuelle Studie der Harvard Business School legt jedoch den Schluss nahe, dass ein Großraumbüro nicht automatisch zu mehr Produktivität und Kommunikation führt, eher ist das Gegenteil der Fall: der persönliche Austausch der Mitarbeiter ging um 70 Prozent zurück, aber die Anzahl der gesendeten E-Mails stieg um 20 bis 50 Prozent. Dennoch: der Logitech-Chef schwört drauf. Wer seine Ruhe haben will, soll Kopfhörer tragen. Was Programmierern wohl etwas leichter fällt als Angestellten in kommunikativen Berufen.

 

Das unsichtbare Büro

Angesichts so viel Transparenz wirkt das Eckbüro, einst der Code für einen besonders bedeutsamen Mitarbeiter, wie ein Anachronismus. Es soll Chefs geben, die sich angesichts von flachen Hierarchien eine andere Variante herbeiwünschen: das unsichtbare Büro. Denn eine Folge flacher Hierarchien ist der Wegfall mittlerer Strukturen, der berühmt-berüchtigten „Lehmschicht“ in vielen Unternehmen. Wenn Mitarbeiter keinen direkten weisungsbefugten Vorgesetzten mehr haben, außer der Geschäftsführung, wird diese mit Anfragen bombardiert. So mancher möchte sich da gerne unsichtbar machen.

 

Ein Aufzug nur für den Chef

Zweifellos ist das Einzelbüro nach Corona wieder populärer und begehrter geworden. Social Distancing nur wenigen in der Firma einzuräumen, könnte aber so mancher als obszön empfinden. Es gibt aber auch junge IT-Talente, die lieber den neuesten Laptop haben wollen als ein Einzelbüro mit Ledergarnitur. Diese Insignien der Macht sind aber keinesfalls ausgestorben. In einigen Unternehmen mit traditionellem Anstrich gibt es noch Chefbüros, für die der Prunkraum des ehemaligen Krupp-Chef Berthold Beitz als Vorbild gelten darf: Massivholzschreibtisch, und in der Ecke ein von Ledersesseln umrahmter Rundtisch. Das als geeigneter Rahmen, um Mitarbeiter „einzubestellen“. Krönung der einstiegen Chef-Herrlichkeit: der eigene Aufzug, um dem Pöbel nicht zu begegnen. Denn der Weg nach oben kann dauern, besonders bei großen Konzernen liegen die Chefbüros traditionell in den höchsten Geschossen. 

 

Arbeitswelt der Zukunft

Doch die Zeiten, in der allmächtige und allwissende Chef die Geschicke der Unternehmen hinter gepolsterten Türen steuern, gehören der Vergangenheit an. In der Deutschland-Zentrale von Microsoft in München-Schwabing sucht sich die Chefin täglich einen neuen Arbeitsplatz. Doch Rückzugsorte und Meetingräume müssen sein. Eine für Führungskräfte geeignete Arbeitswelt der Zukunft ist auch eine Herausforderung für Designer und Ausstatter von Büroräumen.