BLOG: 31.03.2021

Die Organisation der Zukunft ist differenzierter als heute

New Work

Noch vor kurzem war es uns wichtig, Wände im Büro einzureißen. Die Kultur der Offenheit, der Transparenz und des Miteinanders sowie flache Hierarchien werden heute in großzügig gestalteten Open-Space-Büros abgebildet. Die Zukunft der Organisation wird differenzierter sein als die Entscheidung, welche der 4 Organisationstypen (Hierarchie, Netzwerk, Matrix, Agile Organisation) für das jeweilige Unternehmen passen.

Brauchen Unternehmen überhaupt Hierarchien? Die neue Generation Y wolle gar nicht in hierarchischen Strukturen arbeiten, lautet die Grundstimmung vieler New Work Autoren. An die Stelle der Hierarchie müssten Strukturen treten, die mehr auf Wissen, Beziehungen und Engagement beruhen. (Er)schlägt das Netzwerk die Hierarchie?

Von der flachen zur agilen Organisation

Flache Hierarchien sind im Raum durch offen geplantes Büroraum-Design, transparenzfördernde Büroeinrichtung und keine fixe Arbeitsplatz-Zuordnung sichtbar. Bei der Auflösung der Hierarchie – also noch einen Schritt weitergedacht – wird in der Organisationslogik der Holokratie die Autorität weg von einer Person hin zu einer Gruppe verteilt. Jedes Teammitglied hat unterschiedliche und mehrere Rollen, die jeweils einem bestimmten Zweck in der Organisationslogik folgen. Dieses System bietet die Möglichkeit, unser traditionelles Organisationsdenken und Hierarchieverständnis auf den Kopf zu stellen.

Die Hierarchie ist im Büro sichtbar

Die Starrheit mancher Hierarchien ist im Raum sofort erkennbar. Viele von uns haben schon einmal in so einer Organisation gearbeitet und berichten aus Erfahrung. Das Einzelzellenprinzip vermittelt Sicherheit. In dieser Struktur wird recht isoliert gearbeitet – mit eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten und wenig Austausch unter den Kollegen. Am Ende der Arbeitsplatz-Zeile befindet sich meist das Büro des Abteilungsleiters/der Abteilungsleiterin oder des Chefs/der Chefin. Sein oder ihr Büro hat damit auch den meisten Lichteinfall, die beste Akustik – es ist eine Art Versteck oder die ‚Burg‘, die je nach Lust und Laune ihre Tore öffnet. Führung passiert oft durch Anweisung und nach dem Gehorsamsprinzip. Auch machtvolles Handeln ‚von oben‘ bietet Sicherheit.

Das Einzelzellen-Büro. Foto von Kate Sade auf Unsplash.com

Das wandelbare Büro

Das wiederum unterliegt den 5 Business-Cs: Coworking, Coliving, Colearning, Collaboration und Cooperation – diese Begriffe sind die Eckpfeiler einer Zukunftsorganisation.

Organisationen, in denen diese Prinzipien gelebt werden, brauchen die passenden Räume. Arbeitsplätze werden in ihrer Nutzung geteilt und je nach Aufgabenstellung flexibel gewählt. Wir nennen es: Das wandelbare Büro. Die Architektur des Raumes unterstützt die Zusammenarbeit. Die Gestaltung und das Design von Büroräumen beeinflusst unsere Stimmung, unsere Entscheidungen und sogar unsere Gesundheit. Alles, was uns umgibt – in Form, Farbe und Anordnung – hat Auswirkungen auf unser Teamverhalten und Wohlbefinden.

Das wandelbare Büro in der Organisation der Zukunft. Foto: GRAEF – Büro: Eventbrite

Wie wird die Organisation der Zukunft wendiger?

Eine Antwort auf diese Frage bietet das Organisational Prototyping Modell. Das ist ein Gegenansatz zu den zahlreichen ausgegliederten ‚Labs, Hubs und Garages‘, die zwar Innovationen hervorbringen, jedoch keine Innovationskultur ins Unternehmen zurückbringen; eine Transformation wird damit nicht erreicht. Organisational Prototyping schafft in iterativen Schritten und als agiles Programm gestaltet, nach und nach den organisatorischen Nährboden für Transformationen in Organisationen. Dadurch werden Organisationen insgesamt wendiger, agiler und innovativer.

Auch Design Thinking hilft; mit der raschen Entwicklung von Prototypen und eingebauten Lernschleifen. Diese Herangehensweise hat sich im Bereich New Work sehr bewährt. Im Social Protoyping wird erarbeitet, wie Organisationen und die Menschen darin selbstorganisiert arbeiten können und eruiert, ob sie das überhaupt wollen.

Miteinander arbeiten oder kommunizieren ‚wollen‘

Social Prototyping arbeitet in einem mehrstufigen Prozess. Beteiligte sind die Geschäftsführung und drei bis vier Führungskräfte und gegebenenfalls ein Betriebsrat. Im ersten Schritt wird analysiert, was die Organisation antreibt und welche Bedürfnisse die einzelnen Organisationsmitglieder haben. Als Basis gilt: die Protagonisten müssen miteinander arbeiten und kommunizieren ‚wollen‘.

Ein Beispiel: Es kann um das Thema der Zusammenarbeit in Unternehmen mit vielen regionalen Aussenstellen gehen: Dabei wird als zentrale Frage gestellt, wie sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die – regional verteilt – zusammenarbeiten sollen, sich besser abstimmen können, bzw. mit Unstimmigkeiten oder Konflikten umgehen können.

Im nächsten Schritt wird gefragt:

Welche radikalen Formen der kooperativen Zusammenarbeit braucht es?
Wie reagiert die Organisation, wenn eine Einzelne oder ein Einzelner etwas Neues versucht? Wann werden neue Impulse – wenn sie von ‚oben‘ kommen, von den MitarbeiterInnen,  wenn sie von ‚unten‘ kommen von der Geschäftsführung angenommen? Wann eher abgelehnt? Während der Prototyping-Phasen kommen Methoden aus der systemischen Arbeit, aus dem Improvisations- und Unternehmenstheater, aus dem Soziodrama und aus dem Storytelling zum Einsatz, die interessant und abwechslungsreich gestaltet und variiert angewendet werden können.

Mit den Ergebnissen geht es zurück in den Arbeitsalltag, um das Neue gemeinsam auszuprobieren. Dann gibt es 2-4 iterative Runden, die stets mit den Erfahrungen aus der Praxis gefüttert und die entstehenden Ideen und Konzepte daraufhin weiterentwickelt werden. Nach 3 bis 6 Wochen – das variiert nach Unternehmensgröße – findet ein halbtägiger bis ganztägiger Epilogtag statt. Dort wird das (neue) Organisationsbild, die digitale Führung und Zusammenarbeit der ‚Organisation der Zukunft‘ sowie die digitale Führungskräfteentwicklung festgehalten.

Vom Vertrauen innerhalb der Organisation zur Fehlerkultur

Winston Churchill beschrieb Erfolg so: „The ability to move from failure to failure with no loss of enthusiasm.“ Vertrauen Sie darauf, dass durch Fehler Lernprozesse in Gang gesetzt werden. Mein Tipp: Starten Sie mit einer FuckUP-Coffeerunde. Dabei werden ‚Fehler‘ und Faux Pas bei Projekten, in der Zusammenarbeit mit Kunden oder innerhalb der Organisation erzählt. Wann bewertet man beim eigenen Verhalten etwas als Fehler? Wann und wie weist man andere auf ein Fehlverhalten hin? Momente der Ehrlichkeit und des spontanen Handelns und Lernen entstehen wie von selbst.

Die Organisation der Zukunft profitiert von gelebter Fehlerkultur. Foto: Copyright Arbeitanders, Mag. Klaus Pollhammer, Ursula della Schiava-Winkler

Humor als Schmiermittel der Organisationsveränderung

Lassen Sie einschneidende Erlebnisse in der Organisation von Mitarbeiter-Gruppen darstellen, z.B. in Form einer angewandten Improvisation. Sie werden staunen, wie emotional und treffend Ihre MitarbeiterInnen oder KollegInnen Situationen darstellen und inszenieren. Beim Einsatz solcher Methoden des organisationalen Lernens kommt auch viel Humor ins Spiel. Humor und Unternehmenskomik vermitteln immer auch Werte. Wer lacht im Unternehmen worüber? Wann, warum, was sind die Trigger? Wenn wir gemeinsam über die gleichen oder ähnliche Dinge lachen, gibt es eine gemeinsame Wertebasis.

Individuelles Organisationsdesign

Was wir in den letzten Wochen gelernt haben ist, dass Organisationen völlig unterschiedlich auf Krisen reagieren. Die Diplomsoziologin Judith Muster hat an der Universität Potsdam darüber geforscht und eine interessante Studie über ‚Die Organisation nach Corona‘ verfasst.

Darin wirft sie einen Blick auf die Organisation der Zukunft und Arbeitswelten. Sie fragt: Ist die Krise die Feuertaufe für Selbstorganisation und New Work oder deren Ende? Sparen Unternehmen aus Angst vor den Kosten die Zukunft kaputt oder sichern sie Innovationen mit Zukunftsinvestitionen ab? Wie sieht es aus, das nächste Normal und wie beeinflusst das individuelle Design von Organisationen die Positionierung im Markt? Es sind Fragen, die den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen in den kommenden Jahre beeinflussen werden. Hashtag #thenextnormal

Fazit zur Organisation der Zukunft

Organisationen sollten die Zeit (der Krise) nutzen, um ihren Status Quo zu analysieren. Und die vielen Innovationen, die in der Zeit der Krise entstanden sind, in eine sinnvolle Form zu gießen. Was wir durchs Beobachten des Stimmungsbildes in vielen Unternehmen beobachten: Hierarchien scheinen eine Renaissance zu erleben. Der Grund dafür: Der Bedarf an Orientierung. In der Hierarchie wird taktisch, strategisch und schnell(er) entschieden.

New Work – und Netzwerk-Kompaktlösungen werden deshalb gerade massiv in Frage gestellt. Organisationen werden sich voneinander differenzieren und dabei organisationsgestalterisch auf ihre eigenen Lösungen schauen.

Ob es das integrierende Modell ist, in dem Netzwerke und Hierarchen im Verbund gleichermaßen nach außen und innen wirken und so die Stärken beider Ansätze dem Unternehmen nutzen, müssen Sie individuell entscheiden. Experten raten dazu.

Angesichts der zu beobachtenden Veränderungen und Beschleunigungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft werden Netzwerke in Unternehmen weiter an Bedeutung gewinnen.

Die Kernaufgabe von Führung wird zukünftig darin bestehen, einerseits die Netzwerkbildung in den Unternehmen zu fördern, und anderseits diese Netzwerke hierarchisch zu rahmen, um damit die Identität und Strategiefähigkeit des Unternehmens zu bewahren.

Wie das spannungsreiche Zusammenspiel von Netzwerk und Hierarchie funktioniert und systematisch genutzt werden kann, das gilt es für die ‚Organisation der Zukunft‘ zu erforschen und auszuprobieren.