BLOG: 22.12.2022

Wie man die Liebe für die Fläche neu erweckt

Bürofläche 2023

Wann, wo und wie man arbeitet, ist für viele längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Dabei haben viele Unternehmen begonnen, die neue Rolle des Büros und die Gestaltung der Räumlichkeiten ganz neu zu denken. Kann die Liebe zugunsten einer positiven Präsenzrendite wiederbelebt werden?

Mein bester Kumpel arbeitet in einer Managementposition in einer Bank. Zwei Jahre lang agiert die Großbank rigoros und fordert ihre Angestellten zur Home Office Arbeit auf. Dann plötzlich sollen viele wieder 3 von 5 Tagen ins Büro. Mein Freund beklagt das und fragt: „Wofür soll ich zurück? Home Office funktioniert und ich verschwende am Tag zwei Stunden fürs Pendeln.“ Die coolen High-Tech Räumlichkeiten, die das Unternehmen bietet, sind ihm weniger wichtig, wie die Freiheiten, die er in seinem Landhaus zelebriert. Die Rechnung wird nach einigen Monaten präsentiert: er wird in der Rangordnung herabgestuft. Gleiches Gehalt, weniger Kompetenzen. Mit Mitte 50 nicht so cool.

 

Wenn die Mitarbeiter rebellieren

Die Rückrufversuche scheinen durch die Bank zu scheitern. Generation X Mitarbeiter führen sich plötzlich wie Generation Z Rookies auf. Sie werden wütend, kündigen, schimpfen sich durch den Tag. Eines der prominentesten Beispiele letztes Jahr dürfte Apple gewesen sein: Als die Unternehmensführung beschloss, die Kollegen für drei Tage die Woche wieder ins Büro zurück zu ordern flippten viele Mitarbeiter aus. Es gab Proteste und Kündigungen, unter ihnen auch der Chef der strategisch wichtigen KI-Abteilung. 

 

Freies Wählen, wo man arbeiten will

Wann, wo und wie man arbeitet, ist laut dem Digitalverband Bitkom für Arbeitende inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Die Fläche in Bürotürmen scheint ihren Sexappeal verloren zu haben. Der Konflikt zwischen Unternehmen und ihren Angestellten um das Home Office und die Flexibilisierung der Arbeit entspricht dem, was im angelsächsischen Raum als „Great Resignation“ bezeichnet wird: eine massive Kündigungswelle von Fachkräften. Verschiedenen Umfragen und Studien zufolge ist gar die Hälfte der Arbeitenden offen für einen Jobwechsel, weltweit und auch in Deutschland.  

 

Wo sind die Argumente pro Office?

Das Management vieler Unternehmen fragt sich, was mit den wichtigen Aspekten, wie Team-Bindung, Motivation, Wissenstransfer und Innovationskraft geschieht, wenn die Mitarbeiter so wenig im Büro sind. Studien des IAO nennen „bemerkenswerte und langfristig potenziell kritische Veränderungen“ beim Wissenstransfer und der Vernetzung. Das sei vom Management, aber auch den Angestellten als „schwieriger als vor der Pandemie“ beurteilt worden. Weit verbreitet ist auch die Klage über ein effektives Onboarding neuer Mitarbeitender. Es ginge nicht um das starrsinnige Festhalten an alten Führungsprinzipien, lautet der Tenor. Bei all der Liebe für die rasante Weiterentwicklung müssten auch Mitarbeiter anerkennen, dass das Fernbleiben vom Büro negative Auswirkungen hat, die nicht akzeptabel sind.

 

Die neue Rolle für die Fläche

Viele bekannte Unternehmen haben also damit begonnen, die neue Rolle des Büros und die Gestaltung der Räumlichkeiten neu zu denken. Dazu baumeln Motivationssprüche, wie „I love my office“ über den Flexidesks der zurückkehrenden Mitarbeiterköpfe. Büroplätze, die nur einen PC und Konferenzräume bieten, sind längst. Bei der Rückkehr der Mitarbeiter erfolgreiche Unternehmen haben haben Schreibtische durch Sofas ersetzt, Whiteboards für gemeinschaftliche Teamaktivitäten installiert und kreativ designte Räume für gemeinsame Mittagessen geschaffen. Es gibt technikfreie Detox- und Meditationsräume und  hotelloungeartige Meet-Up-Räume mit Blick aufs Grüne. Das Büro der Zukunft ist – wenn das Management New Work authentisch lebt – zu einem Ort geworden, der die Kreativität fördert und geplante, wie auch zufällige Interaktionen zwischen Mitarbeitern und Besuchern ermöglicht.

 

Aus der Sicht des Büroplanungsexperten

"Es geht nicht immer um Design und, dass der Kühlschrank immer voll ist, dass es immer frisches Obst gibt, 40 verschiedene Kaffeesorten und der Bildschirm größer ist als zu Hause. Die Leute gehen gerne in Orte, wo sie sich wohl fühlen und vor allem aber andere Menschen treffen. Menschen kommen wegen anderer Menschen ins Büro und nicht, weil sie müssen." sagt Projektleiter Thomas Köhler von GRAEF. 

"In einen Club geht man auch nicht nur wegen der Musik. In ein Restaurant geht man auch nicht nur wegen des Essens. Zu Kindergeburtstagsfesten geht man nicht der Geschenke wegen. Wenn man die Fläche praktikabel gestaltet, das Design nicht nur in den Vordergrund stellt und eine Plattform schafft, auf der sich Menschen gerne aufhalten, während weitere Menschen kommen, um sich dort gerne aufhalten. Man sollte keine Feiern, Partys oder andere Gründe für erzwungenes Beisammensein initiieren. Das ist kontraproduktiv. Die Leute WOLLEN zur Party - zwinge sie nicht. Schaffe nur den Rahmen für eben diese Party. Die Menschen kommen dann.

Ein weiterer Aspekt im laufenden Prozess bei uns im Haus ist es, die den ganzen Prozess zu einer Reise voller Happiness zu machen. Wir haben so viel Wirkung mit unserem Tun und Handeln und sprechen mit Multiplikatoren im Unternehmen, welche diese Leidenschaft und Attitüde automatisch in die Menschen bringen. Make yourself happy. Das spüren andere und werden es ebenfalls. Menschen wollen sich mit Menschen umgeben, die sie glücklich machen. Mach dich glücklich und die anderen werden glücklich.“

 

Die Präsenzrendite

Bald soll es eine Messgröße geben, eine Art „Präsenzrendite“, die der nachweisbare Gesamteffekt aus einer guten Mischung aus ortspräsenter und ortsmobiler Arbeit. Diese Rendite soll die Stärken der gemeinsamen Präsenz vor Ort gezielt nutzen und in den Gesprächen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer als Argumentationsgrundlage herangezogen werden. Ob dies Nachteile für Mitarbeiter bringt, die im Home Office besonders gut arbeiten können, wird sich zeigen.  Die große Frage lautet also: Kann die Liebe für die Fläche im Büro zugunsten einer positiven Präsenzrendite irgendwie wiederbelebt werden oder gehen Büro und Mitarbeiter getrennte Wege? Unter dem Motto: "Bis dass die nächste Pandemie uns scheidet?"

 

Vom Büroturm zur Wohnanlage

Falls sich aber die loyale Liebe nach der Bürofläche nicht mehr einstellen lässt, wird es einfach heissen: arbeitest du noch oder lebst du schon? Dann wird es auch hierzulande zunehmend Immobilieninvestoren geben, die leerstehende Bürohäuser aufkaufen werden, um sie in Wohnimmobilien umzubauen. In vielen Städten, wie München, ist die Wohnungsnachfrage derart hoch, dass sich viele nach dem Vorbild New Yorks sehnen. Dort hofft man sogar, dass es durch die Rückkehr zum alten Status Quo kommt, der vor der industriellen Revolution – wie heute – als erstrebenswert gilt: dass nämlich Arbeiten, Wohnen und Freizeit in Stadtzentren wieder miteinander verflochten sind. 2023 - wir sind gespannt, was für die Fläche im Büro in unserem Land in den Sternen steht.