BLOG: 20.04.2022

Hilft Mobility as a Service, den Klimawandel aufzuhalten?

Neue Orte zum Arbeiten

Wir haben uns in den letzten 100 Jahren ein Mobilitätssystem gebaut, in dem wir stets versucht haben, die Angebote zu verbessern und aufeinander abzustimmen. Vor 20 Jahren kam die Digitalisierung mit Sensoren und Datenanalysen, heute reden wir über selbstfahrende Autos, selbstfahrende Schiffe, selbstfliegende Drohnen. Hilft oder schadet diese Entwicklung unserer Welt vor dem Klimawandel?

Stadtforscher fordern ein radikales Umdenken bei der Planung des Autoverkehrs in der Stadt. Sie plädieren für mindestens zwei Home Office Tage oder ‚Rikschas‘ als Transportmittel.

Menschen und Güter mit Rikschas zu transportieren, das ist in unseren zentraleuropäischen Städten noch recht ungewöhnlich. Vereinzelt sieht man Lastenfahrräder, die cool gebrandet kleinere Bestellungen von A nach B kutschieren. Für die Zukunft sind sie jedoch - in größerem Maße eingesetzt - durchaus als Alternative zum Auto denkbar. Die Stadtforscher, Klimaaktivisten und jeder, der die extremen Wetterkapriolen mit Sorge betrachtet, alle sind überzeugt, dass die durch den Verkehr verursachten Emissionen zum Wohle von uns allen radikal reduziert werden müssen.

Die österreichische Stadtforscherin Katja Schechtner meine vor kurzem in einem Interview: „Wir machen uns jetzt über Rikschas und über Dreiräder lustig. Global gesehen transportieren diese aber die meisten Menschen und die meisten Tonnen in Kilometern. Jetzt verwenden wir eine Tonne Metall, um 70 Kilogramm Mensch von A nach B zu transportieren. Da kann man wohl auch eine kleine Rikscha verwenden, um 70 Kilogramm Mensch mit vielleicht 150 Kilogramm Metall und der entsprechenden Energie durch die Gegend zu bringen!“

 

Zwei Tage Home Office entlasten Verkehr

Durch ein Umdenken und klare regulatorische Maßnahmen könne man viel bewegen, so etwa auch durch mehr Home Office: „Wenn wir nur an drei Tagen statt an fünf Tagen ins Büro fahren, dann entlasten wir die Mobilitätssysteme und verbrauchen weniger Energie – egal ob die aus fossilen oder erneuerbaren Quellen kommt“, so die Expertin.

 

Mobility as a Service

Weil ein durchschnittlich genutztes Auto 98% seiner Lebenszeit herumsteht, wird international nach alternativen Mobilitätsmöglichkeiten geforscht. In einer portugiesischen Studie des International Transport Forums wurde die These untersucht, was in einer Stadt passieren würde, wenn es keine individuell genutzten Autos mehr gäbe. Anstelle dessen würden ‚shared taxis‘ die Menschen transportieren, wobei sich mehrere Menschen die Wege teilen würden. Die Wege wären trotzdem innerhalb von 30 Minuten erreichbar und das mit weniger als 3% der Fahrzeuge. Es sei betont, dass diese Vorhaben ausschließlich in Städten diskutiert wird, die ein dichtes öffentliches Verkehrsnetz haben. Nicht in Kleinstädten und schon gar nicht in Dörfern. Stockholm und Brisbane setzt es schon teilweise um. Für eine Stadt gibt es das noch nicht. Das wäre doch eine Innovation. Welche deutsche Stadt wäre hier wohl die beste, um eine Vorreiterrolle einzunehmen?

 

Das Dilemma mit dem verkrümelten Kindersitz

Es gibt viele Weg, die sich durch die Shared Economy ersetzen lassen würden. Mobility as a service heißt dann: ich kaufe mir meine Mobilität nicht mehr mit einem Auto, sondern mit einem Verkehrsmittel oder anderen mietbaren Fortbewegungsmitteln und nehme mir das, was ich brauche und wann ich es brauche. Personen mit Kindern möchten ihre verkrümelten Kindersitze vielleicht nicht von Shared Auto to Shared Auto hieven; aber auch Car Sharing Anbieter haben Kindersitze bereits standardmäßig im Programm. Es braucht – wie bei ganz vielen anderen Aspekten, die uns 2022 (+) begegnen werden – eine Änderung unseres bisherigen ‚gemütlichen‘ Lebens. Klar braucht es noch intelligentere Lösungen, vor allem mithilfe der Digitalisierung.

 

Wird unser Alltagstransport jetzt unkomfortabel?

Ihr Buch passt auch mal in die Tasche, auch die Shared Autos haben einen Kofferraum. Wir sind viel gewöhnt, es ist konfortable, für mich ist die Shared Economy ein Privatfahrer, der mich durch die Gegend führt. Ich bin entspannt, kann arbeiten, das ist ein großer Komfort.

Wie kann man bestehende Prozesse optimieren, all das bezieht sich auf die Frage, wie die Dinge gemacht werden und nicht was gemacht werden sollte. All das muss hinterfragt werden. Es wird über technologische Lösungen geredet, aber da ist die Tendenz da zu glauben, wenn wir das wie anpassen, müssen wir das Was nicht überdenken. Die Notwendigkeit: wir wissen um die Dringlichkeit einer Änderung im Sinne einer weltgerechten Lebensweise und die zeitliche Dringlichkeit und das Potential: in der positiven Psychologie (was brauchen wir, um glücklich zu sein) ist es seit 50 Jahren unumstritten, dass starker Materialismus mit geringeren Lebenszufriedenheit einhergeht. Muss transportiert werden, was transportiert wird. Was ist, wenn wir nicht nur das Wie, sondern auch das Was hinterfragen?

 

Welche Risiken birgt Mobility as a Service?  

Wenn ich meinen Hund mit einem vollautomatisierten Fahrzeug zum Tierarzt schicke, ein anderes Auto zum Supermarkt und mit dem dritten lasse ich mir Tennisschläger und Outfit zum Tennisplatz vorausschicken. Wenn wir Mobility Flatrates zahlen werden, wie viele unnötige Fahrten wird es dann geben? Wir müssen uns darauf einigen, wofür automatisierte Mobilität eingesetzt wird und dann unsere Gesetze, also die Spielregeln danach anpassen.

 

Welchen Impact hat MaaS auf den Jobmarkt?

Es gibt Studien der Europäische Union über die Arbeitsmarktauswirkungen des autonomen Fahrens: Es wird nicht nur den Taxi Fahrer betreffen, sondern auch den LKW Fahrer, den U-Bahn, Zug-, Bus- und Straßenbahnfahrer. Dafür werden wir mehr Jobs brauchen, bei Kontrollen und im organisatorischen Bereich. Was daraus folgt sind höhere Anforderungen an die Ausbildung. Das heißt, wir müssen frühzeitig in die digitale Ausbildung investieren.

 

Attitude Change ungleich Kognitive Dissonanz

Kognitive Dissonanz: wir handeln anders als unser Wertesystem es uns vorgibt. Wir stecken fest in der Umsetzung. Wie können wir so zu handeln lernen, dass es unserem Wertesystem entspricht?

 

Die Digitalisierung ist paradox

Sie bringt uns ein Effizienzversprechen. In ihr wohnt, dass man Dinge aufgrund großer Datenmengen so planen kann, dass unsere Mobilität geringer ausfallen könnte: indem wir nämlich punktgenau planen, wo es Bedürfnisse von Verkehrsteilnehmern gibt und wohin was wann gebracht wird. Leider erkennen wir, dass die Digitalisierung oft einen gegenteiligen Effekt ausgelöst hat. Wir sind noch mobiler, sind noch öfter an verschiedenen Orten und schicken mehr Dinge denn je durch die Welt (siehe Amazon-Einkäufe). Tja, der PKW ist eben flexibel, bequem und bietet Privatsphäre – aber der PKW muss seine vollen Kosten tragen. Wenn wir Co2 produzieren, müssen wir dafür bezahlen. Und wenn wir viel Platz in der Stadt verbrauchen, z.B. einen Parkplatz verwenden, müssen wir dafür auch bezahlen.

 

Revolutionäre Ideen

Wie könnte man die Klimawende schaffen? Eine Antwort lautet: den lebenszyklusbasierten Klima- und Umweltauswirkungseffekt beim Konsumenten in Rechnung stellen. Wenn ich einen Liter Diesel tanke, dann habe ich die Lebenszykluskosten mitzuzahlen. Bei dieser Vorgehensweise gewinnen all jene, die sich klimafreundlich verhalten. Bei den Unternehmen haben all jene einen Vorteil, die ihre Wertschöpfungskette dekarbonisieren, also umweltfreundlich agieren. Das wäre ein Ansatz, wie wir ins Tun kommen. Wenn das in unserer Volkswirtschaft aufkommensneutral installiert wäre, würde man – nennen wir sie mal – die niederen Instinkte der Menschen ansprechen: sie würden sich besonders klimafreundlich verhalten, weil sie dadurch Geld sparen. Es ist ein Fakt, den die Wirtschaft und wir Konsumenten nicht hören wollen: die Lösungen für CO2 neutrales Verhalten sind da, aber kein wirtschaftlicher Rahmen, um sie umzusetzen.