BLOG: 05.04.2021

Home-Office: Wenn aus der Ausnahme die Regel wird

Home Office

Der oder die arbeitet im Home Office. Ein Satz, der noch vor wenigen Wochen trotz aller Beteuerungen, wie toll diese Arbeitsform im digitalen Zeitalter sei, mit einem gewissen Makel behaftet war. Da ist jemand, der sich aus der Bürogemeinschaft ausgeklinkt hat. Da ist eine, die nebenbei fernsieht oder strickt. Und noch einer, der Home Office im Bademantel macht, hörte man auf den Korridoren oder der Kantine. Hörte. Denn ein paar Wochen und ein schlimmer Virus später redet niemand mehr davon.

Denn Home Office ist nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Kann es ein deutliches Indiz dafür geben, dass sich auf sozialen Plattformen wie Facebook oder Ebay plötzlich die Angebote für Arbeiten häufen, die jeder „ganz bequem von zu Hause aus“ machen kann? Jeder sollte hier genau prüfen, ob sich wirklich ein seriöses Angebot dahinter verbirgt.

Wunsch und Wirklichkeit

Home Office heißt übersetzt soviel wie „Büro im eigenen Zuhause“, gelegentlich wird auch von Heimarbeit oder Telearbeit gesprochen. 70 Prozent der Beschäftigten wünschten sich einer Umfrage zufolge Möglichkeiten, auch zu Hause arbeiten zu können, um Wegzeiten zu sparen, konzentrierter zu arbeiten oder Beruf und private Aufgaben besser vereinbaren zu können.

Nur vier von zehn Unternehmen (39 Prozent) erlauben laut Bitkom Arbeit im Home Office, jeder zweite Berufstätige (45 Prozent) wünscht sich einen gesetzlichen Anspruch aufs Arbeit daheim. Das sind Zahlen, die aus der Vor-Corona-Zeit stammen. Heute sieht das Verhältnis womöglich schon anders aus.

Unternehmen sind verpflichtet, für die Gesundheit von Mitarbeitern zu sorgen

Home Office mit einem Angestelltenverhältnis gleichzusetzen, funktioniert seit der Krise nicht mehr so gut, denn im Home Office sind mittlerweile viele. Was sich Angestellte früher von ihrem Arbeitgeber abtrotzen mussten, bietet das Unternehmen heute aus Fürsorgepflicht an. Denn Unternehmen sind verpflichtet, für die Gesundheit und Sicherheit von Mitarbeitern zu sorgen. Das Ganze ist so einfach wie logisch. Wer als Unternehmen Arbeit im Home Office ermöglicht, reduziert die sozialen Kontakte am Arbeitsplatz und hilft mit, die Infektion einzudämmen.

Wenn Home Office an technischen Voraussetzungen scheitert

Infolge der Corona-Pandemie sind Kitas und Schulen in ganz Deutschland und vielen anderen Ländern Europas geschlossen worden. Berufstätige bleiben zuhause, um die Betreuung der Kinder sicherzustellen. Und gearbeitet werden muss nebenbei auch noch, sofern das nicht an technischen Voraussetzungen scheitert. Manchmal hat ein Unternehmen einfach nicht genügend Notebooks für die Mitarbeiter oder Lizenzen für VPN-Zugänge.

Bademantel-Unternehmer

Die Notwendigkeit einer grundlegenden Verhaltensänderung, die uns das Corona-Virus aufzwingt, hilft uns bis zu einem bestimmten Teil dabei, die Nachteile des Home Office leichter hinzunehmen. Denn wer jahrelang im Büro gearbeitet hat, ist an die bestimmten Abläufe und eine Tagesstruktur gewöhnt, der tägliche Plausch mit den Kollegen ist fester Teil des sozialen Lebens.

Viele scheitern zuhause daran, nach einem vorbestimmten Rhythmus zu arbeiten und werden sukzessive zum Bademantel-Unternehmer. Sie kommen mit der neuen Freiheit einfach nicht klar und vermischen Berufs- und Privatleben. Zwei Stunden am Bildschirm arbeiten, aber dann drei Stunden „Goodbye Germany“, „Frauentausch“ oder die x. Wiederholung von „Deutschland sucht den Superstar“ im Fernsehen. Dennoch: durchschuften muss niemand im Home Office, es gelten die üblichen Pausenzeiten.

Glotze aus, andere Ablenkungen sind Tabu

Ohne Disziplin und Selbstbeherrschung geht Arbeitsroutine zuhause nicht. Mit der Gestaltung des Home Office kann hier jeder gegensteuern, etwa durch klar abgetrennte Bereiche. Oder schalldämmenden Wandsysteme.

Wer in seiner Wohnung über ein Arbeitszimmer verfügt, ist klar im Vorteil. Angehörigen muss klar gemacht werden, dass Papa oder Mama zwar da sind, aber nicht gestört werden dürfen. Fest vereinbarte Arbeitszeiten heißt: Glotze aus, Hausarbeit und andere Ablenkungen sind Tabu. Vor allem Kinder verstehen das nicht gleich, denn Mama und Papa sind ja zuhause und greifbar. Mit der Zeit lernen sie es aber bestimmt.

Zoomen und skypen

Wenn es vor Corona hieß, Telefonkonferenzen sollten im Home Office möglichst nicht am Nachmittag stattfinden, weil Kinder zuhause sind, ist das heute hinfällig. Die Kinder sind halt da, fast immer. Gut, dass sich das Bewusstsein für Home Office mit jedem Tag, in dem sich diese Arbeitsform exponentiell verbreitet, wandelt. Wer jetzt mit seinem Arbeit- oder Auftraggeber zoomt oder skypt, und im Hintergrund laufen die Kinder durchs Bild, wird viel weniger Nase-rümpfen ernten als noch vor Wochen.

Einsame Tage

Die Einsamkeit bleibt ein Problem, gerade in Zeiten der Corona-Krise. Die Möglichkeit, am Tag verpasste soziale Kontakte Abends nachzuholen, wie das viele Heimarbeiter machen, ist durch Kontaktsperren und geschlossene Restaurants und Kultureinrichtungen verwehrt. Der in sozialer Isolation im Homeoffice absolvierte Arbeitstag mündet dann in einen traurigen Abend, und man hat wieder niemanden getroffen. Also besser mit jemanden spazieren gehen. Solange es noch geht.

Sofa oder Schreibtisch

Festangestellte haben es oft leichter, im Home Office erfolgreich zu arbeiten. Denn für sie ändert sich zunächst mal nur der Arbeitsort, der Arbeitgeber gibt nach wie vor die Zeiten vor, man muss erreichbar sein und für Aufgaben Parat stehen. Selbständige im Home Office können sich dagegen die Zeit frei einteilen, von Abgabefristen mal abgesehen. Eine Kontrolle durch den Arbeit- oder Auftraggeber finden in beiden Fällen nicht statt. Keine Kamera hält fest, ob jemand auf dem Sofa oder am Schreibtisch sitzt.

Chef zahlt das Arbeitszimmer

Zu einer Überwachung, von der gewiss der eine oder andere Unternehmer alten Schlags träumt, gäbe es auch keine rechtliche Grundlage. Denn derzeit gibt es im Bundesarbeitsministerium noch keine Pläne für das Recht auf Home Office. Selbst in Corona-Zeiten bleibt dies dem Unternehmen überlassen. Aber die meisten ziehen mit, denn die Vernunft gebietet es.

Mein Tipp: beim Arbeitgeber fragen, ob er für die Ausstattung oder einen Teil der Miete, etwa für das Arbeitszimmer aufkommt. Versuchen kann man es ja mal. In so einem Fall fällt es dann auch leichter, die Chefin oder den Chef mal ins Home Office einzuladen. Das sollte er oder sie sogar tun, denn nur so sind Bedingungen des Arbeitsschutzes überprüfbar – diese gelten auch fürs Home Office.