BLOG: 09.01.2023

Drei Orte, die zusammenwachsen

Die neue Verantwortung der Unternehmen

Leben, Arbeits- und Freizeitwelt wachsen stetig zusammen. Für die Mitarbeiter von Unternehmen oder Selbstständige bringt das neue Orte zum Arbeiten und viele neue Formen des Arbeitens mit sich - aber auch neue Probleme.

Im Centro Cultural John dos Passos liegen die Arbeitsplätze unter freiem Himmel. An den Tischen sitzen Menschen aus allen möglichen Ländern vor ihren Laptops und arbeiten konzentriert. Was erstaunlich gut funktioniert, denn tagsüber lässt sich die Schönheit Madeiras durchaus ausblenden, die grünen Hänge, das blaue Meer, das gute Essen und der Wein. Das Kulturzentrum mit der superschnellen Internetverbindung liegt in Ponta do Sol auf der zu Portugal gehörenden Insel Madeira.

 

Digitale Nomaden mögen dritte Orte

Wegen des ganzjährig guten Wetters hat sich Ponta do Sol zu einem Hot Spot der Digitalen Nomaden entwickelt, Menschen, die unabhängig von einem Arbeitsort überall auf der Welt arbeiten können und wollen. Fast alle sind alleine angereist - doch im Slack-Channel von Gonçalo Hall, dem Erfinder des Digital Nomad Village in Ponta do Sol, finden sie schnell zusammen, um am Wochenende gemeinsam essen zu gehen oder zu wandern. Wie sie die Gewichte in diesem Workaction zwischen Arbeit und Freizeit legen, bestimmen die Nomads selbst.

 

Schnelles Wlan, frische Luft

Der Arbeitsbereich bietet Platz für 20 digitale Nomaden im Innenbereich, die die Tische, Stühle, Energiestecker und Schreibtische frei nutzen können. Außerdem können mehr als 25 Personen den Außenbereich zum Arbeiten nutzen. Hier kann man nicht nur die frische Luft genießen, sondern auch Calls machen, ohne die anderen zu stören. Viele Selbstständige sind darunter, aber auch fest angestellte Kräfte von Unternehmen wie Mercedes-Benz oder Bertelsmann - beneidenswert, wenn die Chefetage den Mitarbeitern freie Ortswahl zubilligt.

 

Verlockendes Angebot

Das Angebot des kostenlosen CoWorking-Spaces lohnt sich für die kleine Gemeinde an der Südküste Madeiras. Seit das Programm ins Leben gerufen wurde, kommen mehr Reisende ins malerische Dorf, mieten Appartments und gehen in die Restaurants im Ort. Aus diesem Grund, so wird gemunkelt, funktioniert auch die Kaffeemaschine im Space nicht  - der Kaffee schmeckt beim Laden um die Ecke ohnehin besser.

 

Back to the Office

Das Nomad Work Space in Madeira ist ein Beispiel dafür, dass Leben, Arbeits- und Freizeitwelt stetig zusammenwachsen. Es ist wohl kein Zufall, dass diese Initiative in der Zeit der Corona-Pandemie entstand, als Menschen dem deutschen Winter mit seinen schwer erträglichen Lockdowns entfliehen wollten. In dieser Zeit entstand auch die Home Office-Welle, die erst jetzt langsam abflaut, weil die Unternehmen zunehmend ihre Leute wieder in den Betriebsräumen sehen wollen.

 

Na, halben Tag Urlaub?

Ganz zurückdrehen in Richtung alte Arbeitswelt lässt sich das Rad aber nicht mehr. Früher galt jemand nur dann als produktiv, wenn er am Schreibtisch saß. Wer kurz vor sechs die Räume verließ, dem wurde nicht selten ein „Na, halben Tag Urlaub?“ hinterhergerufen. Auch heute noch ist manches Unternehmen diesem Denken verhaftet. Die Sichtweise, dass auch jemand auf dem Sofa, im Café oder unter der Sonne Madeiras einen Mehrwert für das Unternehmen schafft, ist noch nicht bei allen angekommen.

 

Drei Plätze

Diese neue Perspektive aber setzt sich vielerorts durch -  und genau deswegen müssen Unternehmen attraktiver werden. Das fängt bei der Büroausstattung an. Im Unternehmen darf es durchaus kommunikative Zonen geben, in denen es „wohnlich’“ zugeht - denn die „drei Orte“ wachsen ohnehin zunehmend zusammen. Während First Place das Zuhause bezeichnen und Second Place das Büro, meint man mit Third Places (nach Ray Oldenburg) alle übrigen öffentlichen oder halböffentlichen Orte – vom Bahnhof über Zug und Taxi bis zur Hotellobby, Starbucks, die Bibliothek oder den Park.

 

Überlastung und Stress

Third Places, wie zum Beispiel Cafés, Parks oder Bibliotheken, die als Orte des informellen Zusammentreffens und Austauschs dienen, können dazu beitragen, das soziale Kapital in einer Gemeinschaft zu erhöhen und damit zu einem größeren Ausgleich beizutragen. Sie können auch die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit verringern, indem sie als Orte dienen, an denen Menschen sowohl arbeiten als auch ihre Freizeit verbringen können. Es gibt jedoch auch die Gefahr, dass durch die Vermischung von Arbeit und Freizeit die Grenze verwischt wird, was zu einer Überlastung und Stress führen kann.

 

Möglichkeit eines informellen Austausch

Im Kontext von New Work sind First Places in der Regel die Arbeitsplätze selbst, wie zum Beispiel Büros oder Fabriken. Sie sind die Orte, an denen die Arbeit tatsächlich stattfindet und an denen die meiste Zeit verbracht wird. Second Places könnten dann Orte sein, an denen die Arbeit zwar nicht die primäre Aktivität ist, aber immer noch eine wichtige Rolle spielt, wie zum Beispiel Zuhause oder Co-Working-Spaces. In Third Places wie Cafés, Parks oder Bibliotheken ist Arbeit nicht unbedingt die primäre Aktivität. Aber der Ort gewinnt durch soziale Interaktionen und die Möglichkeit eines informellen Austauschs. Orte funktionieren dort, wo man sich zurückziehen und entspannen kann, um die Arbeitssituation zu verbessern.

 

Vielfalt der Perspektiven

In der Tat können Third Places auch Orte der Kreativität sein, da sie eine ungezwungene Atmosphäre bieten. Gedanken fließen hier freier, neue Ideen entstehen leichter, wenn Menschen sich treffen, miteinander interagieren und sich gegenseitig inspirieren. Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Fähigkeiten kommen hier zusammen, was für eine Vielfalt der Perspektiven sorgt, die ebenfalls der Kreativität zuträglich ist.

 

Manche mögen's ruhig

Am Ende kommt es aber auf den einzelnen Mitarbeiter an. Third Places sind nicht für alle Arten von Arbeit geeignet sind und haben nicht für jeden Arbeitnehmer die gleiche Wirkung. Einige Arbeitnehmer benötigen vielleicht eine ruhige Umgebung, um kreativ zu sein, während andere eine ablenkungsarme Umgebung bevorzugen. Es kann also auch vorkommen, dass ein Third Place für einen Arbeitnehmer ungeeignet ist und ihm nicht die gewünschte kreativitätsfördernde Wirkung bringt.

 

Probleme bei der Sicherheit und Datenschutz

Manche fremdeln auch mit der Abgrenzung von Arbeit und Freizeit: Wenn Arbeitnehmer zwischen verschiedenen Orten pendeln, an denen sie arbeiten, kann es schwierig sein, klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Wenn Arbeitnehmer an verschiedenen Orten arbeiten, kann es schwierig sein, regelmäßig und effektiv zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Das kann die Effizienz und die Qualität der Arbeit beeinträchtigen. Dies kann dazu führen, dass Arbeit unerledigt bleibt oder dass Arbeitnehmer unter Zeitdruck stehen. Hinzu kommen Probleme bei der Sicherheit und beim Datenschutz: Wenn Arbeitnehmer an verschiedenen Orten arbeiten, kann es vor allem schwierig sein, die Sicherheit der Daten und die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen sicherzustellen.

 

Begehrte junge Talente

Das Zusammenwachsen von First, Second und Third Place ist also für jedes Unternehmen eine Herausforderung. New Work erfordert ein ganz eigenes Setting und stellt Anforderungen an die IT ebenso wie die Büroausstattung. Aber eine Alternative haben die Unternehmen kaum - denn für die begehrten jungen Talente ist diese neue Weise des Arbeitens ganz selbstverständlich - auch, wenn es zum Beispiel darum geht, mal vier Wochen von Madeira aus zu arbeiten.