BLOG: 08.10.2021

Digital Leadership – wie Mitarbeiter digital führen, die man kaum sieht

Hierarchie & Design

Wenn introvertierte Teammitglieder lieber von zu Hause arbeiten und Extrovertierte lieber zurück ins Büro kommen und ganz schräg - wenn Führungskräfte merken, dass sie zu Hause und ohne Team produktiver sind als im Büro. Wie soll man als Führungskraft digital führen, damit das Team engagiert, produktiv und zufrieden bleibt?

Die letzten Monate haben die Arbeitswelt ordentlich durcheinandergewirbelt und schneller als gedacht, digitaler gemacht. Wo es möglich war, arbeitete man remote. Mit dem Laptop lenkten Führungskräfte ganze Abteilungen vom Wohnzimmer aus. Ob man die neuen Kollegen riechen konnte, wusste man nicht. Das war anfangs ungewohnt, die Leute gewöhnten sich aber daran, weil Projekte nach Zeitplan fertig wurden und gute Entscheidungen auch virtuell erzielt wurden. Chefs, die nur voll besetzte Büros kannten, lernten, dass gute Zusammenarbeit auch digital gut klappt. Diese neuen digitalen Erfahrungen brachen die alte Präsenzkultur auf. Der Chef, der um 9:30h auf die Armbanduhr klopfend und mit erhobenem Zeigefinger drohend beim Eingang stand, ist nur mehr eine vernebelte Erinnerung, über die man sich am Dinnertisch amüsiert. Das neue 'digital leadership' bietet heute Freiheiten, die früher undenkbar waren. Und Chefs merken, dass ein Attribut keine Floskel, sondern das wertvollste Kapital unserer heutigen Zeit ist: Vertrauen. 

 

Digital Leadership - Welcher Führungsstil ist gefragt?

Neue Zeiten erfordern neue Chefs. Leader, die aktiv fördern und gestalten können, die entspannt und mit einem gewissen Pioniergeist auf Veränderungen reagieren. Natürlich bedeutet das für traditionelle Modelle, dass diese in Frage gestellt und auch heftig kritisiert werden. Fähigkeiten wie Selbstverantwortung und Kommunikation spielen schon längst eine immer wichtiger werdende Rolle. Das neues Führungsmodell heißt Mindful Leadership.

Aber wie lässt sich das in den Arbeitsalltag integrieren? Mit achtsamer Führung. Bedeutet, die eigene Aufmerksamkeit bewusst auf das Wesentliche im Moment hier und jetzt zu lenken und so den Geist zu fokussieren. Heisst, Situationen zu akzeptieren, ohne sie zu bewerten und aus einer Ruhe heraus, klüger zu (re-)agieren.

 

Digitales Leadership braucht verantwortungsvolles Agieren

Digitales Leadership in Unternehmen heisst, in die Digitalkompetenz der Mitarbeiter, in digitale Prozessabläufe und den Einsatz Künstlicher Intelligenz zu investieren; Digitales Leadership von Regierungen heisst, massiv in (Glasfaser/Breitband) Infrastruktur zu investieren. Unternehmen sei empfohlen, auf digitale Prozessabläufe und den Einsatz Künstlicher Intelligenz zu setzen.

Das heisst aber nicht, dass digitale Systeme von Riesenkonzernen ausgenützt werden dürfen. Gefühlt die Hälfte der Weltbevölkerung wird von Facebook und Google beeinflusst. Jährlich verdienen amerikanische Großkonzerne Milliarden Dollar am Verkauf des kollektiven Wissens an die Werbeindustrie. 

Eine fehlerhafte Änderung der Netzwerk-Konfiguration legte vor kurzem den Datenverkehr von Facebook, den Kurznachrichtendienst Messenger und die zugekauften Dienste WhatsApp und Instagram lahm. Sechs Stunden hatte es gedauert, bis die Dienste wieder sichtbar waren. Jede verlorene Stunde kostet Facebook bis zu 14 Millionen Dollar Werbeeinnahmen. Noch stärker sind die Ausfälle von Unternehmen, die via Facebook kommunizieren, den Zugang zu ihren Diensten organisieren oder Produkte verkaufen. All das demonstrierte, dass Facebook zur kritischen Digital-Infrastruktur von Unternehmen rund um den Globus gehört.


Wie die digitalen Führungsqualitäten der Zukunft lauten

Glaubwürdigkeit, Inspiration und Kommunikation auf Augenhöhe. Das sind Qualitäten, die Influencer auszeichnen. Dabei geht es nicht darum, Menschen in manipulativer Absicht zu beeinflussen, sondern um ein effektives Beziehungsmanagement, das auf einer hohen persönlichen Glaubwürdigkeit und Integrität als Führungskraft beruht. Wahre Macht resultiert heute nicht mehr aus dem verliehenen hierarchischen Status, sie erwächst von innen – aus der Persönlichkeit.

Gefragt ist ein vollkommen neues Verständnis von Führung, basierend auf einem neuen Menschenbild. Die alte hierarchiebedingte, direktive Top-down-Führung hat ausgedient – Teamspirit ist gefragt. Diese Mechanismen kennen erfolgreiche Influencer; und zeigen Führungskräften vor, wie’s geht. Erfolgreiche Führungskräfte haben verstanden, dass es darauf ankommt, jeden einzelnen Mitarbeiter zu begeistern und für sich zu gewinnen. Denn vergessen Sie nicht: Es sind die Fans, die ihre Vorbilder erfolgreich machen.

 

Die Führungskraft als Influencer

Achtung, was jetzt kommt, ist kein Witz, sondern ernst gemeint. Was haben Führungskräfte und Influencer gemeinsam? Antwort: Sie sind nicht als Führungskraft geboren, sondern werden gemacht. Von wem? Von ihren Followern. Aber Führungskräfte haben doch Mitarbeiter und keine Follower – oder doch? In Zukunft führt, wer Follower gewinnt. Eigentlich logisch, wenn man weiß, dass es in der digitalen Welt mehr auf Vernetzung und weniger auf Autorität ankommt.

Wenn Sie den Begriff „Influcencer“ hören, wie alt sind diese Menschen? Jung, im mittleren Alter oder alt? Wenn sie ausschließlich an junge Menschen denken, die auf Instagram oder Youtube eine Gemeinschaft um sich scharen und quasi nebenbei auch Produkte verkaufen, dann liegen Sie falsch. Influencer sind auch erfahrende Unternehmer, die auf LinkedIn ihre Meinungen zu unterschiedlichsten Themen äußern – und damit Aufmerksamkeit für sich selbst schaffen.

Erfolgreiche Führungskräfte waren übrigens schon immer Influencer - hießen in früheren Zeiten aber anders - weil es ihnen gelang, Mitarbeiter zu überzeugen und von einer Sache zu begeistern, um so für das Unternehmen zu brennen. Auf gut deutsch: das gewisse „extra“ an Leistung zu liefern. 

 

Was macht eine Führungskraft zum Influencer?

Zu den Prinzipien zeitgemäßer und überzeugender Führung zählen Vertrauen statt Kontrolle, das Mutmachen, sich auf Veränderungen einzulassen und das Erkennen, dass auch die Führungskraft, die zur ‚digitalen‘ wurde, Bedarf an ständiger Weiterentwicklung hat. Das ist die Essenz von Kommunikation auf Augenhöhe und der Einstellung, wie mit dem Ende von Hierarchien im Unternehmen umgegangen wird.

 

Hybrides Arbeiten mit Intros und Extros

Führungskräfte sind bei der digitalen Zusammenarbeit deshalb besonders gefordert, weil sie dafür sorgen müssen, dass introvertierte Mitarbeiter virtuell nicht untergehen und Extrovertierte genug Austausch finden. Die Tipps reichen vom Einsatz von Chat-Funktionen, um sich während eines Meetings per digitalem Handzeichen zu melden, bis zum Vorabsenden der Fragen, die diskutiert werden sollen. Nach dem Meeting sei empfohlen, die Teilnehmer dazu auffordern, ihr Feedback per E-Mail zu schicken oder ein Online-Dokument erstellen, wo Teilnehmer ihre Gedanken eintragen können. Solche Ideen geben auch den Introvertierten eine Stimme. Extrovertierte Mitarbeiter brauchen vielleicht regelmäßiger ein persönliches Treffen oder eine Videokonferenz.

Als Chef von extrovertierten Mitarbeitern könnten im Büro zu sogenannten "Treffen an der Kaffeemaschine", aufgerufen werden. Diese Treffen helfen extrovertierten Menschen während des Arbeitsalltags soziale Verbundenheit zu erleben und fördern den Zusammenhalt und das Vertrauen in Teams. Und es ist gut, wenn sich der Chef ab und zu dazustellt. Diese Gespräche sind für Führungskräfte nämlich eine gute Informationsquelle, um zu hören, was im Unternehmen wirklich vor sich geht.

 

Wenn die digitale Führungskraft lieber zu Hause arbeitet

Kürzlich fiel mir auf, dass ein guter Freund immer zu Hause arbeitet, wenn wir telefonieren. Er meinte, dass er viel konzentrierter arbeiten könne, als im Büro, wo er von seinen zehn Mitarbeitern umringt sei, die ihn zu oft von der Arbeit abhielten. Zufällig hörte ich von einem seiner Mitarbeiter, dass das Team ohne seine Anleitung oft desorientiert sei und es zunehmend Missverständnisse und das Nichterreichen gewünschter Ziele gäbe. Was passiert, wenn ein Chef merkt, dass er eigentlich lieber im Home Office sitzt, als im Kreis seiner Büro-Kollegen?

"Wenn die Antwort im Design zu finden ist", sagt Thomas Köhler, Projektleiter bei GRAEF, "empfehlen wir Projekt- und Teamarbeitsbereiche, z.B. mit 5-8 Leute so anzuordnen, dass Führungskraft und Mitarbeiter Raumabschnitte bekommen, wohin sie sich zurückziehen können und wo keiner vorbeigeht. Willst Du Ablenkung, gehst Du aus dem geschützten Bereich raus, dorthin, wo Dich die Kollegen ablenken. Wo Du Deinen Kopf freikriegst und plaudern kannst. Das kann die Teeküche oder ein Gemeinschaftsraum sein. Wer jedoch einen geschlossenen, akustisch abgetrennten Bereich braucht, kann sich in so einem Raum einigeln. Wenn die Antwort woanders liegt, ist das eine harte Erkenntnis, aber eben eine wichtige Erkenntnis, die Corona hervorgebracht hat."

 

Wanted: Selbstreflexion unter Führungskräften

Ja, ja... die Digitalisierung verändert die Führung massiv. Regelmäßige Selbstreflexion von Führungskräften und Aufsichtsräten ist heute sehr gefragt. "Wenn ich ,digital leadership‘ höre, bekomme ich Pickel", soll der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens in Deutschland gesagt haben. Der Herr ist definitiv ein geeigneter Kandidat für ein Mindful Leadership Seminar. 

 

 

Foto: https://www.twenty20.com https://bit.ly/3iXwr1d