BLOG: 20.08.2021

Die Post-Covid Kantine

Restart Your Office

Wie können Mitarbeiter in der Betriebskantine vor einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt werden? Eine Frage, die sich auch an die Corporate Architecture stellt.

Der Möbelhersteller Vitra residiert in Weil am Rhein im Factory Building des Star-Architekten Frank Gehry. Mit ihren zahlreichen schwarz eingefassten Leuchten und Tischen aus hellem Holz kann sich auch die von der Schweizer Architektin Aurélie Blanchard konzipierte, für 180 Gäste ausgelegte Kantine des Unternehmens an höchsten Ansprüchen in Punkto Design messen lassen. Von einem in auf hochpreisige Möbel ausgerichtete Unternehmen erwartet man quasi von vornherein ein gelungenes Interieur in den Betriebsräumen.

 

Luftiges Design, viel Abstand

Vitra hat in der Kantine auf ein luftiges Design mit großen Abständen zwischen den einzelnen Tischreihen gesetzt. Was eher einer Design-Philosophie geschuldet war, erwies sich in den Zeiten der Corona-Pandemie als goldrichtig. Denn die Frage, wie Mitarbeiter in der Betriebskantine vor einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt werden, beschäftigt derzeit die Unternehmen. Denn gerade in Betriebsküchen und Kantinen gibt es zahlreiche Gefahrenquellen. Da viele von ihnen jetzt wieder geöffnet haben und öffnen sollen, ist es Zeit für einen Blick auf mögliche Gefahren und Hindernisse.

 

Zeit für eine Neuorganisation

Das Coronavirus fordert von Unternehmern nicht nur die Entwicklung von innovativen Lösungsansätzen und neuen Arbeitsplatzmanagement-Ideen, sondern auch Fürsorge um die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter. Einer der zentralsten Räume der Zusammenkunft sind dabei Kantinen oder Betriebsküchen. Um etwaige Risiken zu bannen, ist gerade jetzt die Zeit für eine Neuorganisation und Umgestaltung der Corporate Architecture.

 

Schwachstelle Wareneingang

Eine Schwachstelle in der Post-Covid Kantine ist bereits der Wareneingang, in dem die frischen Lebensmittel angeliefert werden. Nicht jede Kantine hat Reinigungsstationen eingebaut, bei denen man sich die Hände desinfizieren kann. Dabei ist es extrem wichtig, erst nach einer Desinfektion in die Küche gelangen zu können. Für das Personal sind Kittel, Kopfbedeckung und Latexhandschuhe in Covid-Zeiten Pflicht.

 

Besteckkasten als Gefahrenquelle

Als potentielle Gefahrenstellen gelten Besteckkästen. Dies ist meist der erste Ort, den hungrige Mitarbeiter in einer Kantine ansteuern. Wenn Gabeln und Messer aber offen in Metallschalen liegen, sind sie nicht vor Bakterien und Viren geschützt. Ein hustender Kollege mit einem unerkannten Covid-Befund kann in der Nähe eines Besteckkastens theoretisch eine Übertragung breit streuen. Abhilfe können hier Glasscheiben über den Ausgabestellen schaffen.

 

Menschenansammlungen in der Post-Covid Kantine digital vermeiden

Die Neuorganisation muss nicht nur Einschränkungen, sondern kann auch einen Mehrwert für Mitarbeiter mit sich bringen. Digitale Systeme können das Zeitmanagement unterstützen, etwa fixe Sitzplätze durch Reservierung garantieren und dabei helfen, Wartezeiten und Menschenansammlungen bei Stoßzeiten zu vermeiden. Der Mindestabstand von 1,50 Metern ist gerade in Betriebskantinen wichtig, aber oft schwer einzuhalten. Umso wichtiger werden in Zukunft digitale Systeme zur Organisation von Menschenströmen sein. Sie sorgen auch für eine verbesserte Speisenauswahl, für die Durchführung eines Pick Up Service oder für die Erhöhung der Planungssicherheit, wodurch Lebensmittelverschwendung vermeidbar wird.

 

Bewusstsein für Corporate Architecture

Wer als Unternehmer all dies berücksichtigt, kann die Kantine nicht nur weiterhin zur Visitenkarte seines Unternehmens machen, sondern die Anreize für die Mitarbeiter erhöhen, aus dem Home Office zurückzukehren. Die Pandemie war für eine zunehmende Zahl von Entscheidern in Firmen und Dienstleistern aus Industrie und Handel, die vordergründig nichts mit Design zu tun haben, eine Zeit des Innehalten und Nachdenkens. Das Bewusstsein für Corporate Architecture ist in dieser Zeit vielerorts gewachsen.

 

Tiefer in reale Wertschöpfungsprozesse reindenken

Unternehmer haben ein wachsendes Verständnis dafür entwickelt, das Architektur nicht nur schmückendes Beiwerk ist, sondern die Kreativität in Unternehmen real verbessern kann. Dazu sind Architekten, Bauherren und Anbieter von Bürolösungen enger zusammengerückt. Die Herausforderung durch Covid war ein Anlass, sich noch tiefer in reale Wertschöpfungsprozesse von Unternehmen und Branchen hineinzudenken.

 

Hotspots der Kommunikation

Die Anforderungen des Infektionsschutzes haben neben dem Eingangsbereich, der traditionellen Visitenkarte eines Unternehmens, bei vielen Unternehmen die Kantine ins Bewusstsein gerückt. Die Transformation der Arbeit durch New Work drängt eingefahrene Strukturen zurück und rückt Kreativität und Kommunikation mehr in den Vordergrund. Kantinen und Cafés sind Bereiche, an denen unterschiedliche Hierarchieebenen und - Abteilung zwanglos und zufällig zusammen treffen.

Sie sind Orte der Kreativität und Kommunikation. Firmen nutzen sie ganz bewusst als Ort des Netzwerkens. Entscheidend für die Gestaltung ist, auch Bereiche für informellen Austausch zu schaffen. Die Architektur darf auch Reibungspunkte setzen.

 

Frische rangiert an erster Stelle

Die Post-Covid Kantine darf sich nicht nur aufs Interieur beschränken. Damit die Kantine als wertvoll wahrgenommen wird, müssen auch die Speisen mit dem hohen Anspruch mithalten. Bei den Mitarbeitern rangiert Frische an erster Stelle, zudem müssen bei den Zutaten für Abwechslung gesorgt werden. Tischdecken und gutes Besteck gelten heute in Kantinen nicht mehr als Luxus.

 

Spezielle Leuchten, hochwertige Materialen

In der Kantine des Modehauses Hugo Boss in Metzingen etwa finden sich auf 500 Quadratmetern die Mitarbeiter in einem lichten Raum ein. An den Wänden hängen Kunstwerke, die Tische und Bänke aus Eichenholz wirken einladend. Eine Augenweide ist auch die Kantine des Sanitärkonzerns Geberit in der Nähe von Zürich. Spezielle Leuchten und hochwertige Materialien bei Tischen und Stühlen schaffen hier die Atmosphäre eines französischen Bistros. Die Qualität von Besteck und Gläsern sind denen in guten Restaurants ebenbürtig.

 

Eine legendäre Kantine

Viele Planer der modernen Kantinen sehen die legendäre Kantine des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ als Vorbild an. Der psychedelische Entwurf des dänischen Architekten Verner Panton ist heute im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu bestaunen. Seit dem Umzug in die Ericusspitze präsentiert sich die neue Kantine des Medienhauses im schlichten Futurismus. Über 4000 Aluminiumteller reflektieren schimmernd das Licht und schaffen eine Optik, die an Wasser anspielt. Die anspruchsvolle Gestaltung zielt darauf ab, dass sich die Redakteure bewußt eine Auszeit nehmen können – was auch schon in der alten „Spiegel“-Kantine möglich war.

 

Eigenständige Architektur mit Charakter

Fazit: Wer seinen Mitarbeitern eine Kantine baut, sollte den Mut haben, mit gutem Design ein Stück eigenständige Architektur mit Charakter zu schaffen. Die Architektur ist jedoch kein Allheilmittel bei der Gestaltung einer modernen Kantine. Sie wird zur leeren Hülle, wenn es keine kommunikative Atmosphäre gibt oder die Speisen nicht schmecken. Damit eine Kantine zur Visitenkarte eines Unternehmens wird, müssen all diese Faktoren zusammenkommen. Gerade in der Post-Corona Zeit, in der sich Mitarbeiter darauf freuen, ins Unternehmen zurückkehren zu dürfen.