BLOG: 09.02.2022

Software as a Service: Der berechnete Arbeitsplatz

Bürofläche

Es ist tragisch, wie oft Unternehmen ein neues Büro bauen, und dann schnell merken, dass es eigentlich schon zu klein ist. Gilt es, bei der Planung von Büroflächen den Menschen an die Fläche, oder die Fläche an den Menschen anzupassen? Was denken Sie?

Die richtige Büroplanung ist für Unternehmen zu einem erfolgskritischen Thema geworden: Arbeitsplatzkosten zählen für viele Unternehmen, die primär bürobasierte Tätigkeiten anbieten, zu den größten Kostenblöcken. Die Quadratmeterpreise für Gewerbe steigen vielerorts. Der Trend zum hybriden Arbeiten, d.i. ein Mix aus Büro und Home Office zählt heute fast schon zur Normalität. Daher müssen Unternehmen den richtigen Flächenbedarf so effizient ermitteln, dass ein optimaler Flächenmix berechnet werden kann - Zukunftsprognosen fürs Unternehmen inklusive.

Das Münchner Unternehmen spaciv erhielt vor kurzem Wachstumskapital in Millionenhöhe. Auch GRAEF gehört zu den Investoren. New Work und die damit verbundene Neuausrichtung von Arbeitsplatzmodellen ist eine Entwicklung, mit der sich GRAEF seit längerer Zeit beschäftigt. 

Warum in spaciv investieren?

GRAEF CEO Alexander Breustedt zählt zu den Lead Investoren bei spaciv und erklärt warum: „Spaciv ist das erste Tool, mit dem digital und cloudbasiert der gesamte Workplace Consulting Prozess abgebildet werden kann – mit einzelnen Personen oder dem gesamten Unternehmen - und ist dadurch auch großartig in den Change Prozess einzubinden. Mich hat vor allem der nachhaltige Ansatz überzeugt –  der Verbrauch von Fläche ist CO2 relevant  - wenn man allein den üblichen Einsatz von Beton bedenkt. Mit spaciv kann klar und nachvollziehbar die Menge und Qualität von benötigter Fläche berechnet werden. Die Kommunikationsbeziehungen und die Verortung der Flächenarten sind ebenfalls wichtige Features des Systems. Die Software kann beispielsweise bei der Überprüfung vorhandener Flächen und Liegenschaften auf ihre Notwendigkeit oder für das Modellieren eines Bedarfsprofiles für zukünftige Vorhaben eingesetzt werden  - die wenigsten Unternehmen wissen genau, was sie in Zukunft benötigen werden."

Um zu verstehen, was spacivs Software genau macht, habe ich Malte Koeditz, Co-Gründer von spaciv, interviewt und die Software unter die Lupe genommen. 

 

Was bedeutet spaciv?

Malte Koeditz: "Spaciv ist eine Wortmischung aus space und productive. Es geht bei uns darum, neu zu denken, wie Organisationen Raum und Fläche konsumieren und diese Ressourcennutzung effizienter und produktiver zu machen. Ich bin Architekt und habe lange als Workplace-Berater gearbeitet. Da bekommt man einen spannenden Einblick in Unternehmen. Mich hat frustriert, dass die Methoden, die man zur Verfügung hatte, viel zu starr waren. Früher - und noch immer - hörte man bei der Kalkulation eines Arbeitsplatzes folgende Daumen mal pi - Berechnung: 'Pro Arbeitsplatz braucht man 21,5 Quadratmeter, bei 100 Mitarbeitern ergo 2.150 Quadratmeter.'

Da war der Einzelarbeitsplatz drinnen, der Anteil fürs Sekretariat und zwei kleine Besprechungsräume, eine Teeküche und so weiter. In der Zwischenzeit sind Arbeitsweisen aber flexibler geworden, man sitzt ja nicht ganzen Tag an seinem Schreibtisch. Dazu kommt die Home Office Tätigkeit. Das hat dazu geführt, dass Desk Sharing eingeführt wurde. Da hat man erstmal gesagt: Let's go Open Office - die kleinen Büros legen wir zusammen, die kann jetzt jeder nutzen.

Dann entstanden die Probleme mit Open Office: 'Ist zu laut, zu groß!'. Der nächste Trend hieß 'activity based working', d.h. dass man Lounges sowie kleine und große Rückzugsplätze hat, aber das ist unglaublich schwierig zu berechnen, weil jeder die Orte auf der Bürofläche anders nutzt und anders arbeitet. HR Manager, Entwickler, Kreative, Sachbearbeiter - die haben andere Bedürfnisse auf der Bürofläche für ihre Tätigkeit."

Wie viele Unternehmen kalkulieren wie früher?

Malte: "Die meisten Unternehmen rechnen wie anno dazumal. Wir haben immer wieder Kunden, die sagen: 'Wir brauchen mehr Arbeitsplätze!' Wenn wir dann die Personaldaten den Flächendaten gegenüberstellen und den Kunden unsere Analyse so erklären: 'Euer Problem ist nicht, dass Ihr zu wenig Arbeitsplätze habt, Ihr habt sogar 1,5 Arbeitsplätze pro Mitarbeiter.', sind viele überrascht. Die meisten wissen einfach nicht, wieviel Fläche ihre Mitarbeitern brauchen.

Es ist tragisch zu sehen, wie oft sich Unternehmen ein neues Gebäude bauen, dann ziehen sie ein und merken: ist eigentlich schon zu klein. Folglich müssen sie überlegen, ob es ein Bürogebäude in der Nähe gibt, das sie anmieten können. Wir denken das potentielle Wachstum bei der Flächenplanung mit: Das Team sieht heute so aus, in 2 Jahren werden x Leute mehr sein, in 5 und 10 Jahren prognostiziert so viele. Die meisten denken da nicht daran, wir schon."

 

Die Bedürfnisse der Mitarbeiter verstehen

Bisher gab es einen Workplace-Manager, der Workshops, Befragungen und Interviews durchführte, um zu erfahren, wie diese verschiedenen Organisationseinheiten und die einzelnen Mitarbeiter arbeiten. Dann wurde eine Excel Tabelle aufgesetzt, die all das berechnen sollte. Leider wird die Berechnung schnell unhandelbar, einfach aufgrund der Komplexität des Dateninputs.

Deshalb haben wir spaciv entwickelt. Als cloudbasierte Webapplikation, die über eine Plattform alle Stakeholder miteinander verbindet und uns somit erlaubt, mit maximalem Detaillierungsgrad die Fläche dynamisch zu berechnen. Wir fragen: Wieviel bist Du zuhause, wieviel im Büro, wie arbeitest Du? Die Daten werden erfasst und die Software berechnet in Windeseile den Flächenbedarf. Unsere Kunden schätzen besonders, dass die Software viele Szenarien modelliert, z.B. Home Office wird mehr oder weniger, oder wir wachsen in Zukunft, etc -  aufgrund dieser Verknüpfungslogik können wir den Bedarf für diese Szenarien in Echtzeit ermitteln."

 

Was bringt die neue Berechnungsmethode?

Malte antwortet: "Durch unsere Software können Kosten reduziert, die Produktivität gesteigert und Fläche gespart werden - wir fokussieren auf die Faktoren Mensch, Ressourcen und nachhaltiger Umgang mit Fläche. Und wir liefern Daten, um eine Investitionsentscheidung objektiv zu begründen."

 

Software, die sich selber füttert

Malte: "Die Personalkosten zählen zu den größten Kostenparametern für Unternehmen. Daher entwickeln wir aus der Sicht des Nutzerbedarfs. Wir wollen nicht den Menschen anpassen an die Fläche, sondern die Fläche an den Menschen. 

Die Zukunft bringt viele verschiedene Anbindungspunkte für die Berechnung des Arbeitsplatz - Bedarfs, z.B. an die Bestandsflächen, die Gebäudezugangskontrollen, an Kommunikationstools, die die Mitarbeiter jeden Tag verwenden, wie Microsoft Teams oder Zoom. Das sind Background Services; das bedeutet, dass unsere Software immer weniger Bedienung braucht, sonder immer mehr 'wahrnimmt' und mit Automatisierungsflows arbeitet. Es sind zwei Welten, die Flächenwelt und die Personalwelt, die uns diese Anbindungsmöglichkeiten bieten werden. 

Bald wird die Software dem Kunden auch Empfehlungen geben. Wenn heute 4.500 Quadratmeter verplant werden, weiss das System, wenn der Flächenbedarf in zwei Jahren an die Grenzen stößt. Da heißt es dann vielleicht: 'Achtung, jetzt ist es an der Zeit, auf ein neues Grundstück auszuweichen oder in ein neues Gebäude umzuziehen oder intern umzuplanen'.

Fintech-Investoren investieren massiv in solche Background-Engines. Wenn man sich Startups im Bereich Software as a Service anschaut, machen die meisten Listenmanagement. Was wir machen ist eine Kalkulationsengine - das ist aufwendiger zu entwickeln, aber sinnvoller."

 

Der Arbeitsplatz der Zukunft - wie 'ne Kita für Erwachsene

Es wird auch 2030 noch Büros geben. Büroplanungsunternehmen wie GRAEF gestalten diese Arbeitswelten bereits so, wie wir sie uns in der Zukunft vorstellen. Anstelle ausschließlich Schreibtisch an Schreibtisch zu reihen, werden Kreativräume geschaffen. Da gibt es viele Stifte, große Malblöcke und interaktive Tafeln. In manchen steht ein 3D-Drucker. Haptische und multisensorische Erfahrungen sind dann der USP des Büros. Wir treffen uns, um gemeinsam Ideen zu entwickeln, nicht weil wir still vor uns hinarbeiten wollen. Das können wir im Home Office oder in einer einsamen Bucht im südpazifischen Ozean besser. Zu verstehen, was unsere Mitarbeiter brauchen, um produktiv zu arbeiten, müssen ihre Bedürfnisse in die Flächenberechnung einbezogen werden. Die Daumen mal pi Kalkulation ist so letztes Jahrhundert. Wir leben im Zeitalter der digitalen Möglichkeiten. So werden wir planen und arbeiten.