BLOG: 24.08.2022

Das schöne Büro

Learnings aus New Work Konzepten

Büro-Design hilft dabei, dass die Leute aus dem Home Office gern ins Büro zurückkommen: mit Räumen, die das menschliche Miteinander beleben und das Gemeinschaftsgefühl inspirieren. Lachen, lästern, plaudern, sich begegnen, Kaffee trinken und Smalltalk halten. Das große Panorama menschlicher Begegnungen eben.

Hässlichkeit muss kein Schicksal sein. Wer Ästhetik in den Raum integriert, lockt den härtesten Remote-Rambo zurück ins Büro. 480.000 US-Dollar für einen Schreibtisch. Soviel bezahlte ein anonymer Bieter 2008 bei einer Kunstauktion von Christie's in New York für einen 1970 entstandenen „Boomerang Desk“ von Maurice Calka (1921-1999). Von der organisch geschwungenen Konstruktion aus Glasfaser und Polyester mit einer großen und zwei kleinen Schubladen, die sich an das Design zeitgenössischer italienischer Sportwagen anlehnt, existieren nur wenige Exemplare. Eines stand im Élysée-Palast, als George Pompidou in den 70er Jahren dort residierte. Ein weiteres ist heute im Design Museum in Brüssel (https://designmuseum.brussels) zu sehen.

 

Der Löwe von Juda

Maurice Calka, der im übrigen auch die Skulptur des „Löwen von Juda“ vor dem äthiopischen Nationaltheater in Addis Abeba schuf, hat nicht weniger als den wohl schönsten Schreibtisch aller Zeiten entworfen. Er würde heute noch jedes Büro schmücken. Doch meist reicht das Mobiliar in deutschen Unternehmen nicht mal annähernd ein Niveau, dass ästhetischen Ansprüchen fortschrittlich eingestellter Menschen genügt.

 

Das blutrote Banner der Gebäudekosten

Nach der Corona-Pandemie hat es eine Weile so ausgesehen, als wenn Unternehmen sich wirklich Mühe geben, ihre Räumlichkeiten aufzuhübschen. Um die Leute aus dem Homeoffice zu locken, wurde vielerorts auch das Büro-Mobiliar aufgefrischt. Aber seit der sich abzeichnenden Rezession ist Schmalhans wieder Office-Meister. Controller hissen das blutrote Banner der Gebäudekosten, vor allem wegen der stark gestiegenen Energiepreise.

 

Litanei der Controller

Brauchen wir diese Etage wirklich? Können wir den Neubau noch stornieren? Geht es bei der Ausstattung zwei Klassen billiger? So lautet die Litanei der Controller. Leider lässt sich so keine der neuen Büro-Welten erschaffen, die wir so dringend brauchen. Damit die Mitarbeiter ins Büro zurückkehren und Meetings wieder live absolvieren, braucht es eine ansprechende Umgebung mehr denn je. Denn viele Mitarbeiter sind während der Corona-Zeit auf den Remote-Geschmack gekommen.

 

Das große Panorama

Das Büro-Design muss dagegen halten: mit Räumen, die das menschliche Miteinander beleben und das Gemeinschaftsgefühl inspirieren. Lachen, lästern, plaudern, sich begegnen, Kaffee trinken und Smalltalk halten. Das große Panorama menschlicher Begegnungen eben.

Die Leute sind zudem mit neuen Ansprüchen aus dem Lockdown gekommen. Schlechte, ungefilterte Luft will niemand mehr ertragen müssen. Zellenartige Büros oder virenbeschleunigende Großräume auch nicht.

 

Stehen ist das neue Sitzen

In der überlaunigen Seuchen-Ära hat ein ohnehin schon hoch eingepreistes Gut einen noch höheren Stellenwert erlangt: Gesundheit. Also her mit den Pflanzen, nachhaltigen Klimaanlagen und ergonomischen Stühlen. Am besten solche, die sich hochfahren lassen. Denn Stehen ist das neue Sitzen. Und was die Bildschirme betrifft: Mäusekino war gestern. 50 Zoll sollten schon sein, damit zollt man seinen Mitarbeitern Anerkennung.

 

Denken Sie an fair gehandelten Kaffee

Sollten Sie einen Büroneubau auf der grünen Wiese planen, muss das nichts Schlechtes sein - Natur steht extrem hoch im Kurs. Aber dann denken Sie bitte auch an eine Kantine mit nachhaltigem, gern auch vegetarischen Essen. Falls ihre Belegschaft jünger ist, vergessen Sie nicht den fair gehandelten Kaffee in der Cafeteria.

 

Weniger Menschen, mehr Spaß

Das Gute ist: im Büro der Zukunft werden weniger Menschen arbeiten. Erstens, weil weniger Mitarbeiter ständig da sind. Remote ist da, um zu bleiben. Zweitens, weil es einfach generell weniger Mitarbeiter gibt. Weniger Menschen, mehr Spaß. In ein paar Jahren werden sich hauptsächlich die anspruchsvollen Vertreter der Generation Y in den Büroräumen tummeln.

 

Chic, aber nachhaltig

Unter diesen Patagonia-Shirt-Träger werden einzelne ergraute Hoodie-Boomer mit Digital-Expertise kaum noch auffallen. Wer denkt, dass für die Patagonia-Fraktion innere Werte wichtiger sind als eine teure Büro-Architektur, macht aber einen Denkfehler. Denn für die Ys sind aus Startups oder Konzernen längst eine edle Einrichtung gewohnt und halten nachhaltigen Chic für ebenso angemessen wie selbstverständlich.

 

Der ultimative Third Place

Das erzählte mir jedenfalls ein Agenturchef, der kürzlich eine Befragung zur Neugestaltung seiner Büroräume abhielt. Ein Wunsch wurde dabei ziemlich häufig geäußert: das Büro solle „wohnlicher“ werden. Entsteht hier was ganz großes? Das ultimative Zusammenwachsen von First und Second Place zu einem einzigen gigantischen Third Place? Wenn First Place das Zuhause bezeichnet und Second Place das Büro, meint Third Places nach Ray Oldenburg alle verbleibenden öffentlichen oder halböffentlichen Orte. Das Flughafenterminal, die Bibliothek oder Starbucks eben.

 

Wohnen im Büro

Gearbeitet wird ohnehin längst überall. Warum also soll es nicht „wohnlich“ sein? Eine Manufaktur in Berlin darf dabei als Vorreiter gelten. Deren Chef wurde von einem Künstler gefragt, ob er nicht am Wochenende in den Räumen der Firmen wohnen dürfe - es wurde ihm gewährt. So entstanden lustige Narrative, etwa, wenn der Künstler am Montag am voll besetzten Konferenztisch vorbei zu den Waschräumen ging, um dort zu duschen.

 

Schönheit erquickt das Unterbewusstsein

Kommunikation ist Schönheit. Aber auch die Abwesenheit des Hässlichen. In dessen Tilgung liegt dann auch der erste Ansatzpunkt. Also ran an die Kabeltrommel. In jedem Büro stehen eine Menge hässliche Möbelstücke herum. Zynische Controller vertrauen darauf, dass die Mitarbeiter sich daran gewöhnen und sie irgendwann nicht mehr wahrnehmen. Doch das Hässliche gräbt sich ebenso negativ ins Unterbewusstsein ein, wie es das Schöne positiv beeinflusst. Zum Beispiel der Boomerang Desk von Maurice Calka. Davon soll es angeblich einen Nachbau geben, für rund 50.000 Euro. Schlagen Sie also zu und machen Sie ihr Büro zu einem unverwechselbaren Ort.