BLOG: 26.05.2021

Das hybride Büro ist eine Bühne

New Work

Die Sorge, dass das Büro seinen Wert verlieren wird, ist unbegründet. Das Büro verliert seinen Wert nicht, aber dieser Wert verändert sich. Und zwar nicht nur aufgrund von Technologie. Chefs und Mitarbeiter fragen sich: Warum sollen wir ins Büro fahren? Was muss ein Büro leisten? Was wir jetzt schon wissen: Das hybride Büro läßt physische & digitale Sphären verschmelzen.

Es geht zukünftig um die Ausrichtung des Büros als Ort der Zugehörigkeit und des Austauschs – ein Ort, der Kreativität, Kollaboration ermöglicht und vor allem Identität stiftet.

Die Fragen rund ums ‚Büro danach‘

Zu den Gewinnern der Corona-Pandemie zählt die IT- und Telekom-Branche. Der Videokonferenz-Anbieter Zoom ist mittlerweile so wertvoll wie die Summe der sieben größten Fluglinien der Welt.  Werden wir nach dem Ende der Corona-Beschränkungen wieder Geschäftsreisen machen? Ja, wahrscheinlich. Werden die Leute Anfang und Ende der Woche quer durch Deutschland pendeln? Wahrscheinlich nicht. Werden wir für ein zweistündiges Meeting mit Handshake quer durchs Land  fahren? Mit ziemlicher Sicherheit nicht.

Denken wir kurz mal an Silicon Valley: dort sind jene Unternehmen angesiedelt, die Technologien für digitale Kommunikation und Kollaboration entwickeln. Mitten in der Pandemie übersiedelte mein norwegischer Bekannter mit Kind und Kegel nach Palo Alto und wohnt inmitten talentierter Programmierer aus aller Welt. Genau diese Menschen könnten doch von überall auf der Welt arbeiten und tun es dennoch nicht. Wann brauchen wir physische Arbeitsräume, wann digitale, und wie funktioniert diese hybride Mischung?

Das hybride Büro ist die Zukunft

Das letzte Jahr hat uns eines sicher gelehrt: physische, analoge und virtuelle, digitale Räume verschmelzen, wenn es um den beruflichen Austausch geht. Gleichwertig muss sie aber sein, die physische und virtuelle Präsenz. Ein praktisches Beispiel zeigt die Herausforderung für die technische Ausstattung auf: Analog Anwesende und virtuell zugeschaltete Mitarbeiter müssen gleich gut hören und sehen können, sonst ist die Kollegin respektive der Kollege im Home Office im Nachteil.

Physische und virtuelle Präsenz balancieren – geht das?

Menschen, die die Wahl haben, arbeiten dort, wo die Macht verortet ist und wo Präsenz vor Ort und Sichtbarkeit gegenüber der Führungskraft karriereentscheidend ist. Mitarbeiter, die vor der Corona Krise in Teilzeit arbeiteten, erhielten oft weniger Projektverantwortung und führten kleine Teams. Auch Gehaltserhöhungen und Beförderungen gab es seltener. Im Settings des hybriden Büros zerbröselt diese Benachteiligung.

In der zukünftigen Arbeitswelt wird die Fähigkeit, zwischen diesen beiden Sphären zu unterscheiden, physisches und virtuelles zu verbinden und sich zwischen beiden Sphären sehr bewusst zu bewegen, zur fundamentalen Kompetenz eines Mitarbeiters. Alle, die Führungsebene und ihre Mitarbeiter müssen lernen zu differenzieren, welche Qualität der Interaktion eher in analogen, in digitalen oder besonders gut in hybriden Settings gelingt.

Was funktioniert wo besser?

Vorschnelle Entscheidungen zur massiven Flächenreduktion könnten sich für viele Unternehmen, die in den letzten Monaten ihre Mietverträge kündigten, nun als Fehlentscheidung erweisen, weil all jene Funktionen, für die das Büro in Zukunft gut geeignet sein muss, Fläche benötigen.

Bei der innerbetrieblichen Kommunikation eignen sich Videokonferenzen relativ gut. Die Corona Krise hat auch den Ausbau neuer Formen der Interaktion, wie virtuelle Kundenberatungen gefördert. Mein Business Coach hat mich genauso toll online beraten wie analog – und ich habe eine Stunde Fahrtzeit eingespart. Bei Einstellungs- und Mitarbeitergesprächen sowie zettelintensiven Workshops hingegen bevorzugt der Großteil der Unternehmen physische Treffen. Auch Konfliktlösungsprozesse und die Vermittlung von Unternehmenskultur und Werten gelingen in einer analogen Umgebung besser.

Ja, wir lernen aus Studien, dass 68% der Heimarbeiter die direkte Interaktion mit ihren KollegInnen vermissen, und doch beweisen viele Beispiele, dass auch im virtuellen Raum das Gefühl von Nähe entstehen kann. Ich habe mitten in der Krise zwei gleichgesinnte Idealisten kennengelernt; der eine im Lockdown in London, der andere im Lockdown in München – wir gründen gerade ein Unternehmen, obwohl wir uns nie physisch getroffen haben.

Die Macht des Raumes

Der Trendforscher Franz Kühmayer beschreibt den Büroraum als wichtige Komponente in unserer kulturellen, intellektuellen und kreativen Prägung. Er zitiert die Psychologin Antje Flade: „Der Mensch stößt im Außenraum auf Fragen, die ihm zuhause nicht in den Sinn gekommen wären“. Die Macht des Büroraumes würde oft nicht verstanden und in der Gestaltung von Bürokonzepten nicht gut mitgedacht. Viel zu oft bliebe es bei Designüberlegungen, die den eigenen Geschmack widerspiegeln oder beim Kopieren von Bürokonzepten, die eine andere Firma umgesetzt hat. Zuerst formen wir Räume, dann formen die Räume uns. Das erfordert ein intensiveres Nachdenken darüber, wie Büros gestaltet werden sollten.

Das Büro sei als Kult-Ort zu verstehen, als Sehnsuchtsplatz, der aufgrund seiner Ausstattung, aufgrund der dort anwesenden Personen und aufgrund räumlicher Anreize so attraktiv ist, dass die Menschen gerne und lustvoll dort hin fahren. Mit effizientem Facility Management und schlauer Flächenökonomie habe das weniger zu tun, als mit der kulturellen und organisatorischen Aufladung einer Büro-Location.

Das Büro als Bühne

Im heutigen Clubhouse Talk ‚Das Büro ist tot, endlich wieder ab ins Büro?‘ meinte ein Mitwirkender, dass im Hinblick auf hybride Bürostrukturen zu überlegen sei, welcher Gruppe Mitarbeiter im Büro angehören. Er meinte: „Fragt Euch mal: Wer seid Ihr am Arbeitsplatz? Welche Rolle nehmt Ihr ein? Stimuliert Ihr? Nehmen Ihr Einfluss auf das größere Ganze?“ Wissensarbeiter und Kreative würden zum Beispiel im Homeoffice vieles alleine entwickeln können, es fehle ihnen jedoch die Bühne.

„Das Büro ist diese Bühne, die mir seit den Lockdowns für meine Arbeit fehlt“, meinte der bekannte Kreativdirektor, „die Energie, die man ins Büro mitbringt, die hat einen Impact auf die Stimmung der Anderen. Wenn wir in gewohnte Strukturen zurückkehren, sollten wir Lebensfreude mitnehmen. Manche Mitarbeiter übernehmen in einem Team die Rolle, gute Stimmung zu verbreiten. Sie motivieren ihr Umfeld und bringen ihre Kollegen auf gute Ideen. Wenn diese Menschen physisch nicht da sind, merkt man, dass sie fehlen.“

Arbeit ist kein Ort

Arbeit ist das, was wir tun – und kein starrer Ort. Das hybride Büro der Zukunft besteht aus einer bunten, fragmentierten Mischung von analogen und digitalen Arbeitssituationen. Es spielt keine Rolle, wo wir uns befinden, solange das Endresultat stimmt. Firmen und ihre Mitarbeiter sind bei freier Wahl des Arbeitsortes keine monolithischen Gebilde – sie sind Netzwerke, die schnell und flexibel auf Kundenbedürfnisse eingehen können.